Schluss mit Gasheizungen im Bestand – pv magazine Deutschland

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  • Von deutschewhiskybrenner
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… Sagen wir mal so: Das ist alles andere als kompatibel mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. Wenn wir erst 2050 klimaneutral werden, dann überziehen wir unser CO2-Budget so stark, dass wir nach dem aktuellen Forschungsstand bei etwas über zwei Grad Erderwärmung landen werden. Viele denken, man kann auch mit dem Klima Kompromisse machen. Am Ende läuft das dann aber auf die Frage hinaus: Welche Schäden überlebt unsere Zivilisation?

Bei Diskussionen zu Heizungssystemen hört man oft: Wir könnten schneller als bis 2050 klimaneutral werden, dies sei aber unrealistisch. Heizungen werden vermutlich der letzte Sektor sein, der vollkommen dekarbonisiert wird. Daher sei es heute noch vertretbar, effiziente Gasheizungen einzubauen. Was spricht gegen diese Argumentation?

Wir können es ja einfach mal überschlagen. Ein Altbau braucht vielleicht 30.000 Kilowattstunden pro Jahr für die Heizung. Erdgas verursacht 0,2 Kilogramm CO2-Emissionen pro Kilowattstunde. Die Bewohner hauen damit sechs Tonnen CO2 pro Jahr alleine für die Gebäudebeheizung, selbst mit einer effizienten Erdgasheizung, raus. In Afrika liegen die Emissionen aber nur bei einer Tonne pro Person und Jahr für das komplette Leben. Das funktioniert einfach nicht.

Kann man auch anhand der 2050-Klimaziele argumentieren, dass in 15 Jahren nicht mehr so viel Gas verbrannt werden darf, wie die ganzen Gasheizungen im Bestand verbrennen?

Um 2050 klimaneutral zu sein, darf man 2025 die letzte Gasheizung einbauen, wenn man von 25 Jahren Lebensdauer ausgeht. Die alten Gasheizungen sind zum Teil aber noch länger in Betrieb, teilweise 30 Jahre und mehr. Dann dürfte man also dieses Jahr die letzte einbauen. Wenn wir das Pariser Klimaschutzabkommen einhalten wollen, müssen wir bis 2035 klima­neutral werden. Das heißt, wir brauchen definitiv jetzt einen Einbaustopp für neue Gasheizungen.

Eine andere Argumentation geht so: Es ist unrealistisch, eine Sanierungsrate von vier Prozent im Bestand zu erreichen. Dafür gibt es gar keine Ressourcen. Daher kann es gar nicht klappen, bis 2050 alle Gebäude zu sanieren und die Gasheizungen auszumustern.

Das würde ich auch sagen. Aber dann ist die Frage, was man unter Sanieren versteht. Packt man jedes Gebäude ein, inklusive Dämmung, Dachdämmung und so weiter, dann wird es natürlich schwierig. Wenn man aber überall nur die Heizung austauscht, dann geht das und ist überhaupt kein Thema.

Aktuelle Ausgabe

Das Interview haben wir in der Novemberausgabe 2020 des pv magazine Deutschland in unserem Schwerpunkt „Installationsfragen“ veröffentlicht. In der Ausgabe haben wir einen Teil der Fragen beantwortet, die sich in unserer Installationsumfrage als zentral herausgestellt haben. Dort finden Sie auch einen Fragen-und-Antworten-Artikel bezüglich des Einsatzes von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden.

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Wir verbrennen später einfach grünen Wasserstoff oder Solarmethan oder Windmethan in den jetzt neu installierten Gasheizungen. Was spricht gegen diesen Plan?

Ja, wenn die Leute bereit sind, das Dreifache für ihre Gasrechnung auszugeben, dann geht das sicherlich.

Ist das eine Prognose für den Preis des grünen Wasserstoffs in zehn Jahren?

Heute kostet grüner Wasserstoff zwischen 15 und 20 Cent pro Kilowattstunde; eine Erdgaslieferung an die deutsche Grenze gerade einmal zwei Cent. Da kommen dann noch die Verteilnetzkosten dazu, die hätte man beim Wasserstoff auch. Den Wasserstoffpreis bekommt man wahrscheinlich noch ein bisschen runter, aber er wird immer noch mindestens einen Faktor drei höher liegen. Und wir werden ihn in Deutschland in den Mengen nicht bereitstellen können. Das heißt, man müsste jetzt schon anfangen, Verträge zu schließen mit jemandem, der die Wasserstoffproduktion sehr stark aufbaut.

Als Alternative zu Gasheizungen kann man die Heizungen der Häuser elektrifizieren, etwa mit Wärmepumpen. Diese werden aber immer ineffizienter, je höher die Vorlauftemperaturen sind. In Bestandsgebäuden benötigt man meist hohe Vorlauftemperaturen. Was ist die Lösung?

Wärmepumpen haben üblicherweise eine Jahresarbeitszahl von drei oder mehr. Für eine Kilowattstunde Wärme benötigt man also nur 0,3 Kilowattstunden Strom. Die Effizienz sinkt bei sehr hohen Vorlauftemperaturen. Am Ende sind aber selbst eine Strom-Direktheizung und ein Heizlüfter besser als die Gasheizung. Denn wir haben ja künftig kein Gas mehr. Es sei denn, man stellt grünen Wasserstoff her. Dabei hat man mindestens 30 Prozent Verluste. Man benötigt also 1,3 bis 1,4 Kilowattstunden Strom, um eine Kilowattstunde grünen Wasserstoff herzustellen. Wenn man den Strom direkt verheizt, braucht man nur eine Kilowattstunde Strom für eine Kilowattstunde Heizenergie. Also ist der Heizlüfter energetisch gesehen immer noch besser als die Wasserstoffheizung.

Eine Wärmepumpe hat ja selbst bei hohen Vorlauftemperaturen meist noch eine höhere Jahresarbeitszahl als die Direktheizung, ist also noch besser. Ökonomisch wird es aber teurer als mit einer Gasheizung, wenn die Arbeitszahl schlechter wird.

Der aktuelle Brennstoffpreis spiegelt die Diskussion leider nicht wider und begünstigt damit Fehlentscheidungen bei der Heizungswahl. Fossiles Erdgas ist heute erheblich günstiger als Strom. Darum müssen wir möglichst schnell die Abgabenlast vom Strom auf das Erdgas verschieben.

Und wie sieht es mit dem Stromverbrauchs-Peak im Winter aus, den die Wärmepumpen erzeugen? Brauchen wir dafür nicht doch Wasserstoff?

Bei der Stromspeicherung kommen wir am Wasserstoff nicht vorbei. Aber wenn wir eine Gastherme haben und mit Wasserstoff betreiben, dann schieben wir die ganzen 30.000 Kilowattstunden über die ineffiziente Wasserstoffkette. Wenn man dagegen eine effiziente Wärmepumpe einsetzt, braucht man knapp 10.000 Kilowattstunden an Strom. Hierfür können wir im Winter zu größeren Teilen direkt Windstrom verwenden. Natürlich ist der nicht immer verfügbar. Aber selbst wenn wir 30 Prozent der Zeit mit Wasserstoff abdecken würden, ist der Bedarf immer noch signifikant niedriger, als wenn wir grünen Wasserstoff in Gasheizungen verfeuern.