Hans-Peter Fricke – Das Landmaschinen Unicorn | Kassenzone

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  • Von deutschewhiskybrenner
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Wer seinen Traktor oder Pflug reparieren will, kommt um das Unternehmen von Hans-Peter Fricke nicht herum. Aus einem kleinen Mittelständler hat er in den letzten 30 Jahren einen der weltweit führenden Händler von Landmaschinen aufgebaut, der weiterhin beeindruckende Wachstums- und Renditeraten vorweisen kann. In 2021 wird Fricke über eine Milliarde Euro Umsatz aufweisen können und woher die nächsten Milliarden kommen und wie sich der Markt in Summe entwickelt, besprechen wir im Podcast. Für Fans der Landwirtschaft eine absolute Pflichtfolge!

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Kassenzone | Handel, Plattformen & Transformation · K#373 Hans-Peter Fricke – Das Landmaschinen Unicorn

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Landmaschinen (auch digital) mit Hans-Peter Fricke, Geschäftsführer von der Fricke-Gruppe

Lange hat Alex auf dieses Gespräch hingearbeitet – und lange hat er sich gefreut! Ein klassischer deutscher hidden champion, der zwischen Bremen und Hamburg beheimatet ist und trotz geringen Bekanntheitsgrads in der allgemeinen Bevölkerung im Bereich Landmaschinentechnik schier Erstaunliches leistet. Mit 3.000 Mitarbeitern stellt die Firma Ersatzteile und Maschinen her, verkauft und handelt mit diesen und wartet sie im Einsatz. Wer sich wie Alex dafür mehr als nur beiläufig interessiert, wie man Traktoren baut und repariert – oder wer einfach wissen möchte, wie man in der Nische die Milliardenmarke für Umsatz knackt –, der ist hier goldrichtig.

„Wir reden also von ganz großem eckigem Geld!“

4:00

Alex: 2021 macht ihr erstmals mehr als eine Milliarde beim Umsatz.

Hans-Peter: Ja, unsere Märkte laufen gut und wir hatten durch Corona keine Probleme, weil Landwirtschaft höchst relevant ist und wir keine Bereiche schließen mussten. Es ist zudem ein stabiler Markt und somit sind wir in der Landtechnik und mit Nutzfahrzeugen stabil.

Alex: In der Digitalszene ist die Milliarde wichtig, weil man mit einer Bewertung oberhalb dieser Schwelle als sogenanntes „Unicorn“ gehandelt wird. Ihr habt aber eine Milliarden echten Umsatz! Und dahinter liegt eine entsprechende Rendite. Gemessen also an den Maßstäben der Digitalszene wäret ihr ein „Multi-Unicorn“ – also eins der wertvollsten Unternehmen, dass bei mir jemals im Podcast saß. Aber danach bemisst man in eurer Branche doch den Erfolg nicht, oder?

Hans-Peter: Nein, wir sind old economy und im Grunde genommen zu zwei Dritteln Großhändler für Landtechnik (Ersatzteile, Baumaschinen, Nutzfahrzeugteile usw.). Das machen wir aber zu einem großen Anteil (96%) digital. Alles B2B natürlich.

Alex: Wie darf ich mir das vorstellen? Beim Bauer geht am Traktor was kaputt und er bestellt dann bei euch digital? Ich hätte gedacht, der ruft beim Händler seines Vertrauens erstmal an.

Hans-Peter: Nicht der Landwirt selbst meldet sich bei uns. In der Landwirtschaft herrscht ja Arbeitsteilung und der Bauer ist für die Milcherzeugung, Schweinemast, Ackerbau zuständig. Um die Technik kümmert sich der Landtechnik-Partner. Also fährt der Landwirt seinen Traktor zur Werkstatt, den diese dann analysiert. Sie bestellt dann die Ersatzteile bei uns in unserem Webshop – eben zu 96%, was ungeheuer groß ist. Trotzdem haben wir in ganz Europa – von Portugal bis Polen und bis nach Norwegen – Vertriebsleute, die man ansprechen kann, die beraten, und die sich bei Bedarf Problemfälle angucken.

(Bevor es in die Details des Geschäftsmodells geht, bittet Alex Hans-Peter etwas über seinen bisherigen Werdegang zu erzählen. 1988 stieg er – noch jung – beim 1923 als einfache Schmiedewerkstatt gegründeten Familienunternehmen Fricke ein, bevor sein Vater Wilhelm 1992 die Leitung an ihn übergab. Er skizziert die wichtigsten Wegmarken, wie sein Vater in den 1950ern aus der kleinen Schmiede ein bundesweit relevantes Unternehmen für Landtechnik machte. Nach einem gewagten Einstieg ins Ersatzteilgeschäft in den 1970ern wuchs das Unternehmen dann schnell. 1996 wurde die eigene Handelsmarke Granit ins Leben gerufen.)

11:10

Alex: Die Ersatzteile, die ihr unter der Marke Granit verkauft, produziert ihr schon selber, richtig?

Hans-Peter: Wir arbeiten auch mit Herstellern zusammen und lassen zum Teil produzieren. Aber rund 55%-60% der Produkte werden unter der Eigenmarke verkauft. Man darf uns sich als „Generikahersteller“ vorstellen.

Alex: Und was haben die Käufer gemacht, bevor ihr angefangen habt, ihnen die Ersatzteile zu verkaufen? Wir funktionierte der Markt?

Hans-Peter: Also: Wir waren dabei behilflich, die Branche zu konsolidieren. Wir haben aber die Chose beim Schopfe gepackt und neue Preisstrukturen und Transportsysteme eingeführt: Bereits in den 1990ern gab es also bei uns einen Einheitspreis für den Transport über Nacht innerhalb Deutschlands. Am nächsten Morgen um 7 oder 8 steht das Ersatzteil beim Kunden. Davor sagten die Versender: „Nach Bayern? Das kostet 14 DM. Wenn du es in Norddeutschland lässt, kostet das 6 DM.“ Mit unserer Neuerung haben wir diverse Betonmauer durchbrochen. Denn es wollte weder die Hersteller noch die Landmaschinenhändler, dass wir diesen Weg gehen. Am Ende haben wir uns aber durchgesetzt. Zudem haben wir im Einkauf eine Internationalisierungsstrategie gefahren: Da haben wir früh angefangen, in der Türkei in China und in Indien einzukaufen. Das hat uns Vorteile gebracht.

Alex: Und fast euer ganzes Sortiment wird in der Landwirtschaft eingesetzt, richtig?

Hans-Peter: Ja, wobei „Landtechnik“ ein extrem breites Sortimentist. Wir sprechen hier also nicht nur von Traktoren: der Grubber, der Maisleger, die Hacke, das Pflanzenschutzgerät…Zum Vergleich: Vielleicht hat so ein Autoteile-Großhändler 80.000 bis 100.000 Posten im Lager; wir haben zweieinhalbmal so viel. Und da sind kaum Schnelldreher darunter.

14:55

Alex: In Deutschland gibt es zwar in der Landwirtschaft bekanntermaßen viele regionale Unterschiede, nehmen wir aber einen möglichst durchschnittlichen Bauern, der 100 Hektar bewirtschaftet und sich auf Getreide konzentriert. Was für einen Maschinenpark betreibt der?

Hans-Peter: Vieles hängt hier von der Intensität des landwirtschaftlichen Betriebs ab. Großflächige Landwirtschaft in den neuen Bundesländern würde bei 100 Hektar zu Maschinenkosten von 6.000 bis 8.000 Euro jährlich führen. Aber bei Tierhaltung sieht das anders aus und bei Gemüse- oder gar Weinanbau auch schon wieder anders. Es ist eben äußerst unterschiedlich. Was ich schon verallgemeinernd sagen kann: In Bayern und Baden-Württemberg werden wegen der kleinteiliger strukturierten Landwirtschaft mehr Teile verkauft als etwa in Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen.

Alex: In der Digitalbranche sprechen wir vom total addressable market – kurz: TAM – für die theoretische maximale Marktgröße. Wenn wir dann 6.000 Euro pro Hektar als Rechenwert nehmen… Naja: Auf der Autobahn sind 100 Hektar schnell vorbei! Ich weiß nicht, wie viele Millionen Hektar bewirtschaftete Fläche wir in Deutschland haben, aber wäre das denn der TAM?

Hans-Peter: Ja, wobei die Landwirtschaft in Deutschland es gerade nicht einfach hat. Der Druck durch Öffentlichkeit und Politik wird größer – vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit.

Alex: Aber verheißt nicht nachhaltige Landwirtschaft doch bessere Geschäftsaussichten für euch? Muss man dann nicht mehr mit Mechanik und weniger mit Chemie arbeiten?

Hans-Peter: Glyphosat wird vermutlich nächstes Jahr verboten werden und um einige Verbote mehr werden wir wohl nicht drum herumkommen. Und ja, das bedeutet dann mehr mechanische Unkrautbekämpfung. Aber auf der anderen Seite wird mehr Diesel verbraucht, weil die Felder öfter befahren werden müssen. Die Produktion wird also dadurch und durch andere Faktoren dann teurer – und wandert unter Umständen in Länder wie Spanien oder Südamerika ab, in denen nicht so genau hingeschaut wird. Das ist dann für uns wieder negativ.

(Hans-Peter führt durch die globalisierte Landwirtschaft: In Brasilien oder Argentinien werde Glyphosat weiterhin zugelassen bleiben; und solange der Transport von Lebensmittel so billig ist, werden Landwirte in solchen Ländern für die hiesigen Konkurrenten Konkurrenz sein. Dann folgt ein veranschaulichende Schauergeschichte aus der chinesischen Schweinemast…)

20:35

Alex: Durch Konsolidierung in der deutschen Landwirtschaft ist es ja vor allem in den neuen Bundesländern gar nicht mal so selten, dass bis zu 8.000 Hektar zu einem Betrieb gehören. Was heißt das denn für euch? Naiverweise würde ich vermuten, dass solche Betriebe erst einmal größere Maschinen kaufen? Ihr verkauft aber dafür weniger davon?

Hans-Peter: Vor einem oder zwei Jahrzehnten kostete ein Mähdrescher bis zu 200.000 Euro. Wenn wir aber heute als Landmaschinenhändler etwa einen großen Claas-Mähdrescher verkaufen, tun wir das zu einem Preis von annähernd 600.000 Euro. Wir reden also von ganz großem eckigem Geld! Solche Maschinen sind aber dafür wahnsinnig leistungsfähig. So ein Mähdrescher läuft in den neuen Bundesländern rund 20 Tage im Jahr. Nicht also wie ein Bagger, der etwa auf 250 Tage kommt. Aber dieser Mähdrescher kann in einer Stunde 80 bis 90 Tonnen ernten. Und damit käme eine Stadt wie Leipzig oder Dresden vom Getreidebedarf her eine Woche aus.

Alex: Also eine Stunde zu einer Woche?!

Hans-Peter: Ja, in der Grundversorgung. Der Dresdner Christstollen ist mit dazugerechnet. Das sind also wahnsinnige Produktivitätsfortschritte, die man daran sieht, dass man in den 1950er und 60er Jahren bis zu 30% seines Einkommens für Lebensmittel ausgab, heute aber im Sparweltmeisterland Deutschland nur noch 10% bis 11% lockermachen muss. Das war eben nur dadurch möglich, dass die Landwirtschaft diese Produktivitätssprünge machte.

Alex: Bleiben wir beim Mähdrescher für 600.000 Euro. Als globales Unternehmen Claas wird vermutlich überall auf Händler wie euch angewiesen sein. Ihr kennt ja den Bauer in Mecklenburg-Vorpommern. Wie ist es aber mit dem Geschäft, das danach kommt – also mit Reparatur oder Software-Aktualisierung. Das möchte perspektivisch doch bestimmt Claas selber übernehmen, oder? Das wird doch nichts anderes als die Tesla-Strategie sein.

Hans-Peter: Aber es ist in der Landtechnik so, dass man in der Fläche vertreten sein muss. Und die Verfügbarkeit, die wir anbieten, ist ein großer Wert. Um das überall zu leisten, ist der Hersteller einfach zu weit weg. Und wenn dieser gigantischer Mähdrescher am Erntetag fünf oder zehn Stunden steht, weil auf ein Einzelteil gewartet wird, sind die Ausfälle genauso gigantisch. Wir sind da einfach dichter dran! Bei meinem Tesla kriege ich einen Leihwagen, wenn der drei Tage steht oder in der Werkstatt ist. Das ist dann nicht so schlimm. Aber so eine Riesenmaschine kann ich nicht einfach ersetzen…

(Nur 20 Tage im Einsatz, denkt Alex kurz nach. Sind Hersteller wie Claas nicht auf die Idee gekommen, solche Mähdrescher an Bauern für kurze Zeiträume zu vermieten? Schon, sagt Hans-Peter, aber noch nicht in den fürs Unternehmen wichtigen Regionen. Durchgesetzt habe sich die Vermietung von solchen Maschinen vor allem deswegen nicht, weil sie – im Gegensatz etwa zu handelsüblichen PKWs – nicht in großen Stückzahlen überall verfügbar sind.)

27:45

Alex: Ihr seid so lange als Händler im Geschäft: Habt ihr nie die Versuchung gespürt, selber die Maschinen herzustellen? Der „Fricke-Traktor“ oder zumindest der „Fricke-Pflug“…?

Hans-Peter: Den Pflug gibt es nicht, aber mit unserem Unternehmen SAPHIR Maschinenbau haben wie schon eigene Grubber, Schilder und Schaufeln. Wir waren aber kurz davor, eine Fabrik in der Ukraine zu kaufen – was aber nicht geklappt hat, weil sich die Verhandlungen wegen Corona hinzogen und dann ein Nachbar mit mehr Geld um die Ecke kam, als wir auszugeben bereit waren… Nur in der Ukraine gibt es übrigens die Schweißer, die wir für einige Geräte und Maschinen brauchen, weshalb wir uns überlegen, ob wir nicht dort ein Werk bauen. Jetzt steht aber Putin gerade an der Grenze… Da wollen wir erst einmal abwarten. Aber der Planungsprozess läuft.

Das wird allerdings nicht der eigene Traktor sein. Es handelt sich um einen sehr konsolidierten Markt, der stark aufgeteilt ist. Es gibt vier oder fünf große Gruppen weltweit – und das Fell ist bereits verteilt. Entscheidend ist dabei nicht die Landmaschine selbst, sondern das Händlernetz. In diesem Markt gibt es nicht so viele kapitalstarke Händler, die dieses Geschäft übernehmen können. Müssen wir doch Maschinen, die Hunderte Tausend Euro kosten, ankaufen können. Darin haben wir unsere Stärke.

Alex: Für meine Begriffe gibt es aber gerade im Bereich Traktor eine völlig irrationale Markenbindung. Viele Landwirte zählen sich zum „Team John Deere“ oder zur „Claas-Liga“ oder sind Fendt-Leute… Auf YouTube gibt es die Gattung „tractor porn“, wo man stundenlang Drohnenvideos gucken kann, wie Traktoren Felder bestellen. Das ist wie im Automobilbereich: Das Opel-Lager, die Mercedes-Verehrer… Wobei das Opel-Lager mit den Jahren wohl etwas kleiner geworden ist. Könnten ihr nicht versuchen, mit Markenstahlkraft die Kunden an euch zu binden?

Hans-Peter: Also, wir versuchen schon im Ersatzteilgeschäft unsere Eigenmarke Granit in den Vordergrund zu stellen. Dafür betreiben wir Marketing. Zum Beispiel haben wir gesehen, dass immer mehr unserer Lieferanten auch bei Amazon und über eBay ihre Produkte verkaufen. Unsere Reaktion darauf: etwas eigenes machen. So haben wir in Taiwan Leute eingestellt – südlich von Taipei liegt ein Cluster für qualitativ hochwertige Handwerkzeuge (Schraubendreher, Steckschlüsselsätze & Co.) – und verkaufen die Erzeugnisse unter der Marke „Granit Black Edition“. Das ist ein Bombenerfolg! Und auch unsere eigenen Werkstattmeister loben die Qualität der Werkzeuge. Wir verwirklichen also schon eigene Ideen mit unserer eigenen Marke – und entziehen uns das ganz nebenbei auch dem Preiswettbewerb.

(Alex fragt generell nach der Konkurrenz aus Asien. Er habe nämlich die wildesten Geschichten gehört von auf Alibaba verkauften landwirtschaftlichen Geräten, die sehr günstig in der Anschaffung sind, die aber bereits nach der dritten Nutzung kaputtgehen und nicht repariert werden können. Vielleicht sei das aber nun ein erster Versuch, bevor es zu einem breit angelegten Angriff komme. Hans-Peter gibt sich gelassen: Selbst wenn, wie letztens geschehen, sich chinesische Hersteller versuchen, sich durch Übernahmen in den europäischen Markt zu kaufen, fehlt ihnen einfach das Händlernetz. Und: „Ohne das Händlernetz bist du hier aufgeschmissen.“

Zudem – um wieder auf emotionale Markenbindung zu kommen – säßen die John Deeres und Claas dieser Welt auch deswegen fest im Sattel, weil die Landwirtschaft eine äußerst traditionsbewusste Branche sei. Bauern, die sogar nebenbei arbeiten gehen, um ihre kleinen Höfe am Leben zu halten, hielten auch angestammten Marken gern die Treue.)

36:20

Alex: Du hast also keine Angst vor dem Alibaba-Traktor für 20.000 Dollar. Was ist mit Elektrifizierung? Mein Nachbar Jens hat sich jetzt ein E-Traktor von Weidemann geholt – und da bin ich schon ein bisschen neidisch. Hältst du das für eine zentrale Entwicklung der kommenden Jahre? Wird es demnächst in der Landwirtschaft viel mehr akkubetriebene Geräte und Maschinen geben?

Hans-Peter: Das wird sicherlich kommen. Vom Verbrennungsmotor wird man sich auf lange Sicht wohl verabschieden. Bei den LKWs sind ab 2024 Elektrolaster für die kürzeren, ab 2028 für die längeren Reichweiten versprochen. Da fragt man sich aber natürlich, wie man diese gewaltigen Batterien laden will!

Wir haben etwa in Neumünster einen großen Kunden mit gerade mal 100.000 Quadratmeter Fläche, worauf eine 50.000-Quadratmeter Halle schon steht. Der hat jetzt vor, drei batteriebetriebene Laster zu kaufen und hat bei den Stadtwerken angefragt, wie es mit einer entsprechenden Leitung aussehe. Antwort: „Drei LKWS? Sie dürfen maximal zwei gleichzeitig anschließen!“ Aber der Kunde hat insgesamt 180 LKWs…

Alex: Das muss die Sonne scheinen, damit er das über seine Solarzellen macht!

Hans-Peter: Und dann kommen wir in den Bereich Geländegängig. Wir verkaufen Traktoren mit 300, 400 PS, die die volle Leistung über 12, 18 oder gar 20 Stunden brauchen. Mit der heutigen Technologie geht das noch nicht: Man kann doch keine 10-Tonnen-Batterie dranhängen! Allerdings kann sich das ja alles dramatisch verändern. Vorsichtig gesprochen ist die jetzige Lithium-Ion-Batterie vielleicht noch nicht das Ende vom Lied. Zumal man sich Gedanken machen muss, wie tief man noch nach seltenen Erden graben will und die Umwelt auf diese Weise beschädigen. Es ist ein Yin und Yan: positive stehen negativen Aspekten gegenüber.

(Nichtsdestotrotz, so Hans-Peter abschließend, sei der Verbrenner allein deswegen über kurz oder lang ein Auslaufmodell, weil Landmaschinen der Automobilbranche folge und diese den Ausstieg jetzt mit aller Kraft vorantreibe.)

40:00

Alex: Wie seid ihr denn weltweit aufgestellt? Du hast geschildert, wie wichtig persönliche Vertriebspräsenz ist, um in einem Markt Vertrauen zu gewinnen. Wie gut kann man dann in andere Länder expandieren?

Hans-Peter: Bei Ersatzteilen war uns schnell klar: Deutschland ist auf Dauer zu klein. Wir sind ja in einer Nische, in der wir bei gewissen Artikeln von acht oder zehn Stück im Jahr pro Markt sprechen. Durch Zufall trafen wir auf einen Niederländer, der für eine Tochterfirma von John Deere gearbeitet hatte, die geschlossen worden war. Den haben wir eingestellt und mit 40% beteiligt, und der hat dann unser Geschäft dort aufgebaut. Danach kamen paar Österreicher um die Ecke, danach ein Belgier und dann ein Franzose….

Bei Frankreich hieß es: „Oha, ganz schwieriger Markt! Sehr nationalistisch! Kaufen nur französisch…“ Aber dort haben wir es geschafft. Zunächst waren wir allerdings furchtbar unprofitabel dort. Es hat viele Jahre gedauert und viel Arbeit am Preismodell gebraucht, bis wir dort schwarze Zahlen schrieben. Am Ende haben wir dort auch erheblich höhere Preise verlangt als in Deutschland, aber es war mir klar: Entweder der Markt akzeptiert das, oder wir müssen uns wieder zurückziehen.

Alex: Was heißt denn „geschafft“ im europäischen Ersatzteilgeschäft?

Hans-Peter: Dass es noch ein paar Wettbewerber gibt – einer ist sogar größer als uns und an dem messen wir uns –, dass wir aber die Nummer Eins, Zwei oder Drei sind. Und das wir dabei rentabel arbeiten. Der einzige Markt, der uns zurückgeworfen hat, ist UK. Der Brexit hat schon weh getan, obwohl wir sehr gut vorbereitet waren. In allen anderen Ländern schwimmen wir aber über Wasser.

Alex: Wenn du nach vorne blickst: Wo kommt denn die nächste Milliarde her? Ist das geografisch? In Asien und Afrika wächst ja die Bevölkerung und die dortige Landwirtschaft muss vermutlich effizienter werden.

Hans-Peter: Wir haben schon vor, uns geografisch weiterzuentwickeln. Im US-Markt planen wir gerade unseren Einstieg für 2022, weil er doch eher vergleichbar mit Europa ist, allerdings unter einer ungeheuren Dominanz von John Deere harrt. Dabei ist der Markt bei Ersatzteilen noch nicht so stark konsolidiert wie bei uns, sodass wir gute Chancen haben, als mittelgroße Player erst einmal die 100 Millionen Euro Umsatz in diesem Segment zu erreichen. Da sehen wir Potenzial.

(Wie die Logistik in einem neuen Markt funktioniere, will Alex wissen. Also etwa, ob man in USA schon das komplette Lager spiegele. Der Lagerwert sei so ungeheuer groß, antwortet Hans-Peter, dass Fricke immer eine dreistelligen Millionensummer an gebundenem Kapital im Inventar habe. Da fange man also eher klein an und stelle sich erst einmal auf den Markt ein.)

47:00

Alex: Welche Rolle spielen in eurer Expansion die digitalen Kanäle? Bietet ihr in USA über Amazon Produkte an? Dort wird in US-Markt wohl nach euren Produkten gesucht.

Hans-Peter: Im PKW-Teile ist Amazon in USA bereits heute der mit Abstand größte Marktplatz und Händler; auch im DIY/Handwerkerbedarf. Es ist so, dass Amazon unser größter Feind ist – und mit dem Kapital, das sie zur Verfügung haben, können sie jeden Markt erobern. Denn sie können in jeder beliebigen Nische erst einmal jahrelang Verluste hinnehmen.

Das heißt für uns: Wir versuchen, sie uns vom Leibe zu halten! Denn die Gefahr, dass sie auch in unsere europäischen Märkte einsteigen, ist groß. Allerdings verkaufen wir auch schwere, sperrige Teile: Das kann ein Wellenprofil sein, dass 6 Meter Länge hat oder eine Güllepumpe, die 150kg wiegt. Momentan ist die Strategie von Amazon noch „klein und teuer“; „groß und volumig“ sollen die Partner verkaufen. Aber am Ende handelt es sich ganz klar um eine riesengroße Krake, die alles an sich reißen möchte. Und die sich allein deswegen mit Nischenmärkten auseinandersetzen wird, weil die Wachstumszahlen sonst nicht aufrechtzuerhalten sind. Was wir schon tun: Uns umsehen, ob es nicht digitale Händler gibt, die bereits am Markt sind, die wir übernehmen können.

Alex: Gute Nachrichten aus dem E-Food-Markt: Dort steht Amazon mittlerweile auf der Verliererseite! Der Markt ist also riesig, aber besonders – und da kommt Amazon nicht voran.

Hans-Peter: Freut mich! Aber machen wir uns nichts vor: Sie können es wieder und immer wieder versuchen! Sie können lernen – und haben ein veritables Heer an Analysten, Programmierern usw. Niemals nie sagen, also und immer auf der Hut sein. Es ist übrigens keine Schadenfreude von mir, dass es Amazon im Lebensmitteleinzelhandel online nicht so gut geht. Aber wir müssen zusehen, dass wir in diesem Land weiterhin Unternehmen wie Fricke haben, die auch hier in Deutschland Leute beschäftigen und sonst viel Sinnstiftendes machen.

(Stichwort Beschäftigung fragt Alex nach einer groben Aufstellung, in welchen Bereichen die 3.000 Fricke-Mitarbeiter aufgeteilt sind. Hans-Peter führt durch die Struktur. Zur Fricke-Gruppe gehört ein Maschinenbauunternehmen, wo mit Vorprodukten von osteuropäischen Partnern klassisch produziert wird; hier wird „wie man sich das vorstellt“ geschweißt und gebogen. Der andere große Bereich ist dann Ersatzteile, wo wenig selber produziert wird; hier ist Fricke in der Händlerrolle und versucht, möglichst günstig die beste Ware einzukaufen. Hier sei die Produktvielfalt einfach viel zu groß, als dass man wie Fielmann mit einer eigenen Produktion anfangen könnte.)

53:00

Alex: Ihr sitzt so ziemlich auf halber Strecke zwischen Hamburg und Bremen in Heeslingen. Wie ist die Personalsituation dort? Viele, die ich im Podcast spreche, sagen: „Wir könnten eigentlich noch stärker wachsen, aber uns fehlen soundso viele Leute…“ Bei Sport Tiedje in Schleswig zum Beispiel sind 150 Stellen offen…

Hans-Peter: Wir kommen aus der Landtechnik – und diese findet nicht vorwiegend in Hamburg oder Berlin statt, sondern eben auf dem Lande. Familien leben seit Generationen in einem Dorf und ziehen nicht einfach so um. Landtechniker brauchen wir auch in der Produktentwicklung – nicht nur in den Werkstätten. Es müssen nämlich immer Leute mit dabei sein, die sich für Pflüge, Traktoren und sonstige Maschinen begeistern. Und diese Leute finde ich auf dem Lande.

Allerdings muss man sehen, dass Bereiche wie Digital anders sind. Hier sind wir sehr offen. So haben wir ein kleines Hub in Bremen, wo unsere Datenspezialisten sitzen – auch in Hamburg haben wir eins. Das hat sich einfach so entwickelt. Oder in den Niederlanden: Da sitzt bei uns ein Datenspezialist, der früher bei Cap Gemini gearbeitet haben und in Den Haag wohnt. Das ist 250km von unserer Holland-Zentrale entfernt. „Da muss er wohl Home-Office machen,“ habe ich damals bei der Einstellung gesagt. Da sind wir kompromissbereit.

Auch in anderen Punkten: Der Monteur bei uns arbeitet mittlerweile eine Viereineinhalb-Tage-Woche (vier Tage 9 Stunden, ein Tag 4). Für viele war das anfangs unglaublich: „Da muss einer immer bis 18 Uhr in der Werkstatt sein! Das müssen wir unseren Kunden bieten!“ Mittlerweile haben aber alle eingesehen: Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Das lassen wir uns wahnsinnig viel einfallen, damit wir die Leute halten können.

56:50

Alex: Wie sieht es bei euch mit dem Themenkomplex Smart/Daten/predictive maintenance aus? Ist es dem Landwirt als Vorteil zu vermitteln, wenn sich seine Maschine selbsttätig für Wartung meldet oder möchte er lieber einfach jemanden anrufen können, wenn was kaputt ist und sonst seine Ruhe vor smarten Geräten haben?

Hans-Peter: Nein, es ist bei uns heute schon Standard, dass Landwirte bei uns die Maschinenüberwachung buchen können. Bei Traktoren und Mähdreschern sind wir in der Maschine darin und können so in etwa sagen: „Die Kühlwassertemperatur ist zu hoch. Vorsicht jetzt!“ Da muss man mit der Zeit gehen. Firmen wie BMW und Mercedes sind im Automobilbereich sind da ein Maßstab. Der Traum ist ja: Wenn die Bremsbeläge runter sind, wird automatisch einen Termin in der Werkstatt gemacht. Das funktioniert aber alles noch nicht.

Alex: Noch nicht mal bei Tesla funktioniert das.

Hans-Peter: Eben.

(Gegen Ende geht Hans-Peter all die Bereiche durch, in denen Fricke Mitarbeiter und – ganz wichtig: – Werkstudenten sowie Auszubildende sucht. Denn: „Wer teuer kommt, geht irgendwann mal auch teuer wieder.“ Als Mittelständler investiere Fricke gern bereits in der Ausbildung und binde seine Mitarbeiter früh. Ganz zum Schluss erklärt Hans-Peter, wie Verantwortung in der Familienfirma jetzt an die vierte Generation weitergegeben wird.)

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Alexander Graf

Alexander Graf, *1980, E-Commerce Unternehmer & Analyst, Gelernt bei der Otto Group, danach über 10 Unternehmen gegründet, heute Co-CEO des führenden Commerce Technologieanbieters Spryker Systems. Im Juni 2015 hat er das E-Commerce Buch veröffentlicht, das seitdem die E-Commerce Rankings anführt. Weitere Infos hier, oder direkt kontaktieren unter: [email protected]