Retrosexuell? Metrosexuell? Oder ganz am Ende? Der neue Mann ist eine Chimäre.
Der neue Mann ist wie das Einhorn: ein Phantom, immer wieder beschrieben, nie empirisch nachgewiesen. Seit der Jahrtausendwende geistert er mehr oder weniger regelmässig durch die Kultur- und Lifestylemagazine. Gerade wieder haben amerikanischen Medien eine geballte Attacke zum Thema lanciert. «The Atlantic» sieht das Ende des Mannes heraufziehen, wogegen «Newsweek» mit dem «neuen Macho» einen verbesserten Prototyp fordert. Und die Omega-Männchen waren nicht nur auf Slate, sondern auch bei uns schon Thema. Trotzdem weiss niemand so genau, was er denn nun ist, dieser neue Mann. Abgesehen vom Horn natürlich.
Immerhin eines ist klar: Frauen haben global kulturell, politisch und ökonomisch Boden gut gemacht. In den USA stellen sie die Mehrheit der Arbeitnehmer – wozu auch die Finanzkrise beigetragen hat, welche traditionell männlichen Bereichen mehr zugesetzt hat. Und nicht nur in amerikanischen, sondern auch in südkoreanischen Fortpflanzungskliniken ist das Wunschgeschlecht heute weiblich. In aufstrebenden Industrienationen wie China und Indien ist derselbe Prozess in vollem Gange, so wird in «The Atlantic» vorgerechnet. Der alte Mann, der an seinen Privilegien festklammert, scheint zum Untergang verurteilt.
Das Projekt Feminismus ist also gelungen. In Politik, Wirtschaft, Kultur und Familie haben die Frauen die Hosen an. «The End of Men» ist eine Tatsache geworden, so die naheliegende Schlussfolgerung vom distanzierten Standpunkt von Statistiken. Schaut man sich diesen Gender-Wettkampf aber etwas näher an, beispielsweise im intimen familiären Rahmen, zeigt sich ein klitzekleiner Haken: Wo die Männer verlieren, sei das ihr Selbstverständnis, sei das ein Sorgerechtsstreit, der Job oder was immer, da verlieren letztlich auch die Frauen und die Kinder.
Dass die Frauen nun ein Patriarchat mit umgekehrten Vorzeichen schaffen, XX statt XY, ist allerdings nicht zu hoffen, aber auch nicht zu befürchten. Schliesslich ist der Vormarsch der Frauen ja gerade dem flexiblen Kapitalismus zu verdanken, der Sozialkompetenzen wie Kommunikationstalent, Teamgeist und Integration verlangt. Integration statt Aggression ist das Motto. Womit natürlich nicht gesagt ist, dass die Frauen grundsätzlich bessere Wesen wären, sondern bloss, dass sie einen Weg gefunden haben, die Begrenzungen ihres Rollenmusters zu durchbrechen und ihre Qualitäten gewinnbringend einzusetzen. Die Frauen haben sich scheinbar selbstverständlich zu «neuen Frauen» gemausert, die nicht mehr als Phantom durch die Magazine ziehen muss, weil man sie ja auf Schritt und Tritt antrifft.
Ganz anders der Mann. Die Flut von Artikeln über den ominösen «neuen Mann», über Metrosexuelle und Retrosexuelle, Omega-Männer, Opfer-Maskulisten und Antifeministen, zeigen vor allem eins: Noch ist der neue Mann ein Mysterium, dessen Ontologie zu klären sich die Medien zur Aufgabe machen. Und natürlich ist es lächerlich zu glauben, irgend ein Medium könnte für irgendwen die Frage beantworten, wie er sein Leben gestalten soll – aber dass die Medien sich so darum bemühen, dem Mann neue Rollen zuzuweisen zeigt, dass die alte nicht mehr bedingungslos taugt. Am Wickel des eigenen Rollenklischees, das ihm den Part des schweigsamen Raubtiers zugedacht hat, ist der Mann zum Sinn- und Selbstsucher in einem zunehmend weiblich geprägten Gesellschaft geworden.
Der springende Punkt ist folgender: Die Frauen haben die männlichen Bereiche erobert, ohne wirklich viel Boden auf ihren angestammten Feldern, dem Sozialen und der Familiepreiszugeben. Sie waren beflügelt, die Machtbereiche der Männer für sich zu erobern. Umgekehrt zeigten die Männer aber lange wenig Interesse, in die Sphären der traditionell weiblichen Belange vorzudringen ( -fairerweise muss auch gesagt werden, dass die unemanzipierten Frauen diesen Bereich eben auch mit Zähnen und Klauen gegen die Männer verteidigt haben.) Und jetzt, da sie merken, dass sie einen Teil der Macht abgeben müssen, sehen sie sich genau hier benachteiligt.
Doch unter dem Eindruck des rasanten Wandels hin zur feminisierten Gesellschaft ändert sich das. Auch wenn der neue Mann heute eine Chimäre ist, ein in Magazinen abgelagertes Klischee, so begreifen die Männer doch, dass auch sie sich neu erfinden müssen, wollen sie nicht plötzlich auf der Verliererseite stehen. Als die Frauen in den Siebzigern, beflügelt vom Wirtschaftswunder, ihre Revolution starteten, operierten sie aus einem Jahrhunderte alten Leidensdruck heraus. Und wenn es für Männer heute einen ähnlichen Leidensdruck gibt, so manifestiert er sich in der Familie. Man mag von René Kuhn und seinen Antifeministen halten, was man will. Immerhin zeigt die Existenz solcher Gruppen, dass nun endlich auch die Männer den neuen Mann zu suchen beginnen. Es bedeutet vielleicht, dass die Männer nun endlich jenes Feld erobern, das sie bisher als uncool belächelten, dass sie künftig vielleicht eher bereit sind, Leistungen auf diesem Gebiet auch wirklich als Leistung anzuerkennen.
Anders gesagt: Wir können es kaum erwarten, dass der Mann sich endlich neu erfindet. Denn es ist ja eines der bewundernswerten männlichen Talente, dass sie alles, was sie erobern, als begehrenswerte Beute darzustellen wissen. Und deshalb meine Aufforderung an Sie, meine lieben Leser: Anstatt dass wir wieder mit der Diskussion loslegen, wer die wahren Bösen sind, betätigen Sie sich kreativ. Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Werbe-Fritze und müssten den neuen Mann an den, nun ja, Mann bringen. Entwerfen Sie in drei Sätzen ein positives Bild des neuen, emanzipierten Mannes. Denn er ist ja mehr als bloss ein Einhorn.
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