Far Cry 6 im Test: Revolution gescheitert | STERN.de

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  • Von deutschewhiskybrenner
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Der Pflanzenstoff Viviro, der auf Tabakplantagen auf Yara gewonnen wird und von dem sich Castillo erhofft, dass sich dieser als hochwirksames Arzneimittel gegen Krebs erweist, soll den angestrebten Wohlstand herbeiführen. Dazu setzt Castillo Zwangsarbeit auf den Plantagen ein und testet das Medikament gewaltsam an der eigenen Bevölkerung.

Doch es regt sich Widerstand auf Yara. Als Teil der Guerillabewegung "Libertad" stürzen sich Spielerinnen und Spieler als Dani Rojas – wahlweise Mann oder Frau – in einen Befreiungskrieg, um Castillos Regime zu stürzen.

Wenig Neues im Paradies

Die packende Ausgangslage mit einer ausbrechenden Revolution auf einer Insel, die stark an Kuba erinnert, und der großartige Schauspieler Giancarlo Esposito in der Rolle des Bösewichts versprechen eine ganz große Geschichte. Doch was folgt, ist vielmehr schnelle Ernüchterung als Begeisterung.

Denn was nun kommt, folgt dem gewohnten Muster des bekannten Shooters. Gemeinsam mit anderen Widerstandskämpfern liefern wir uns einen unerbittlichen Krieg mit dem Regime. Wir müssen Stützpunkte erobern, Alarme deaktivieren und Verbündete aus Gefängnissen befreien, gegnerische Schlüsselfiguren beseitigen, wichtige Ressourcen sammeln und Rebellenlager aufbauen – und so das Netz um Antón Castillo immer enger spannen, um den Tyrann schließlich vom Thron zu stoßen.

Das Festhalten an altbekannten Gewohnheiten ist extrem schade - hätte doch die kubanische Kulisse der Spielewelt viel mehr Potenzial für eine richtig gute Geschichte gehabt und damit auch neuen Facetten im Gameplays durchaus Raum gegeben. Stattdessen prägen ewige Fortsetzungen - zum Beispiel das ständige Abbrennen der Drogenfelder, das wir schon seit "Far Cry 3" kennen - das Spiel. Der einzige Unterschied besteht eigentlich nur darin, dass die Insel nicht Rook Island heißt, sondern Yara.

Umfassende Neuerungen, wie Ubisoft sie im Vorfeld der Veröffentlichung von Far Cry 6 angekündigt hatte, gibt es im Gameplay hingegen nicht wirklich. Nur wenige Spielelemente sind tatsächlich neu und vor allem spielprägend. Dass man die Verbesserungen der Fähigkeiten mit der Kleidung verbindet, statt mit freizuschaltenden Skills, ist zwar neu gedacht, ändert am Spielgefühl aber letztlich zu wenig. Viel relevanter ist etwa die viel einfachere Idee, dass man die Waffe einfach wegstecken kann -und dann unbehelligt von gegnerischen Soldaten die Welt von Yara erkundet.

Dank zusätzlicher Fortbewegungsmittel kann sich Dani Rojas schnell und komfortabel auf Yara fortbewegen – neben der üblichen Auswahl an Autos, Hubschraubern, Flugzeugen, Booten und Jetskis lassen sich Wege über die staubigen Guerillapfade in "Far Cry 6" auch auf Pferden zurücklegen. Außerdem können Spielerinnen und Spieler sich ihr eigenes Auto, das sich mit allerlei Extras ausstatten lässt, jederzeit und überall über das Waffenrad herbeirufen.

Die neue Möglichkeit, sich eigene Fahrzeuge ausbauen und jederzeit auf diese zugreifen zu können, macht Spaß und kann in unterschiedlichen Missionen durchaus hilfreich sein. Ein gegnerischer Panzer muss gesprengt werden und die tragbaren Waffen lassen das nicht zu? Wer sein Auto mit einem Raketenwerfer auf dem Dach ausstattet und das Fahrzeug spontan herbeiruft, hat da bessere Karten! Die Lenkung kommt auf der PlayStation 4 allerdings ziemlich ruckelig daher und nimmt dem Fahrerlebnis etwas den Spaß, was wir schon im Test zu "Far Cry 5" bemängelten.

Gänzlich an Bedeutung verliert hingegen das Jagen - bisher immer ein fester und wichtiger Bestandteil der Far-Cry-Spielereihe. Zwar können Spielerinnen und Spieler auch im sechsten Teil der Jagdtradition nachgehen, jedoch ist das Sammeln von Knochen oder Pelzen nicht mehr nötig, um neue Ausrüstungsgegenstände herzustellen. Im Prinzip kann man es auch ganz sein lassen, so unwichtig ist es geworden.

Denn mit dem in "Far Cry 6" neu eingeführten Loot-System können spezielle Kleidungsstücke nur noch in der Spielewelt gefunden oder direkt bei Händlern erworben werden. Gesammelte tierische Produkte lassen sich dafür in Kunststoff eintauschen, der sich zum Bau neuer Waffen nutzen lässt. Da man Kunststoffe aber auch auf anderen Wegen erhält, ist das nicht zwingend nötig.

Diese Neuerung ist daher nicht wirklich geglückt. Denn vielen routinierten Fans der Far-Cry-Spielereihe dürften die Jagdtradition und das Sammeln tierischer Materialien zum Herstellen einer individuellen Ausrüstung durchaus Spaß gemacht haben. Dass sich Kleidung nur noch bei Händlern kaufen lässt, sorgt eher für Langeweile als für Abwechslung und ist auch nichts Besonderes.

Die Fülle an Aufgaben ersetzt nicht die fehlende inhaltliche Tiefe

Ganz im Sinne der Open World, können wir uns in der Rolle von Dani Rojas völlig frei auf der Insel bewegen und den eigenen Spielfluss so stets selbst bestimmen. Ob wir der Hauptstory folgen oder uns zunächst den Nebenmissionen und Beschäftigungen wie dem Angeln widmen, bleibt uns selbst überlassen.

Tatsächlich gibt es auf der Insel Yara, die mit ihren Tabakplantagen und Oldtimern klar an Kubaangelehnt ist, unendlich viel zu erledigen. Die Fülle an Aufgaben, die in Gestalt vieler bunter Icons auf der Weltkarte sichtbar werden, scheint nie enden zu wollen. Mal bitten uns befreundete Guerilla-Kämpfer um Hilfe bei der Geiselbefreiung, mal müssen wir gegnerische Luftabwehranlagen zerstören oder mit unserem Kampf-Krokodil "Guapo" im Schlepptau feindliche Stützpunkte einnehmen.

Trotz alledem aber wirkt Yara abseits der Kampfschauplätze erstaunlich friedlich. Vielleicht liegt es an den sehr realistischen und außergewöhnlich schön gestalteten Landschaften, dass die Insel trotz der Schreckensherrschaft und der düsteren Handlung dann doch weitestgehend idyllisch daherkommt. Hier hätten die Storyline und die Kulisse einer in Revolutionskämpfen versinkenden Karibikinsel weitaus mehr hergegeben, aber dieser fehlt es - wie so oft - an Tiefe.

Nach einigen Stunden wird das Spiel trotz der Abwechslung dann recht schnell langweilig – oder vielleicht auch genau deswegen. Denn das Überangebot an Nebenmissionen, Aufgaben und Rätseln ist schier erschlagend. Die führende Hauptstory gerät angesichts der vollgestopften Open World immer weiter in den Hintergrund. Was sicher auch daran liegt, dass die Story wie schon bei den letzten "Far Cry"-Teilen eigentlich eher Beiwerk als Kaufgrund ist.

Das ist vor allem deswegen schade, weil es hier am meisten Potenzial gegeben hätte, der Serie neues Leben einzuhauchen. Dass eine riesige Open World und eine grandiose Erzählung parallel zueinander funktionieren können, haben in der Vergangenheit Spiele wie "Red Dead Redemption 2" gezeigt. Und auch die Kulisse und die Grundidee der Geschichte von "Far Cry 6" hätten dafür den nötigen Raum gegeben.

Stattdessen aber führt die fehlende Handlungstiefe zu Belanglosigkeiten. Obwohl Dani Rojas eine feindliche Militärbasis nach der nächsten einnimmt und zahlreiche Flugabwehranlagen zerstört, fühlt sich nichts wirklich bedeutsam an. Ist ein Problem erledigt, wartet schon die nächste Aufgabe. Einzelne Siege haben so kaum Gewicht und fühlen sich kaum wie ein Erfolg an, der das Vorankommen in der Geschichte irgendwie beeinflussen würde.

Zu viel Krawall schadet der Spannung

Routinierte Far-Cry-Spieler sollten außerdem überlegen, sich beim Spielen von Far Cry 6 selbst eine zusätzliche Schwierigkeitsstufe einzubauen – den Controller falsch herum halten vielleicht. Denn die zwei im Spiel auswählbaren Schwierigkeitseinstellungen sind beide insgesamt viel zu leicht – auch für diejenigen, die keine ausgewiesenen Shooter-Experten sind.

Im sogenannten Story-Modus, der leichteren der beiden möglichen Spielvarianten, hält Dani einen Kugelhagel und sogar den Beschuss eines Helikopters minutenlang ohne größere Probleme aus. Und sollte es doch mal brenzlig werden, finden sich an jeder Ecke Munition und Medizin.

Egal, um welche Mission es sich handelt und auf welche Gegner Dani trifft: Jede andere Taktik als sich mit ordentlich Geballer ans Ziel zu kämpfen, erweist sich als unnötig kompliziert und langatmig. Lautlose Macheten-Angriffe und vorsichtiges Schleichen sind nicht mehr der Königsweg.

Stattdessen kommt man mit einem fulminanten Waffenfeuerwerk am weitesten, indem man mit dem Flammenwerfer Angreifer in Flammen aufgehen lässt oder mithilfe der Raketen des Supremo-Rucksacks Panzer in die Luft jagt. Daher ist der Ablauf am Ende immer der gleiche.

Auch die verschiedenen "Amigos" - die tierischen Begleiter, die sich im Laufe des Spiels freischalten lassen - sorgen für ordentlich Krawall im Kampfgeschehen. Der bunte Kampfhahn Chicharrón pickt gegnerische Soldaten in Rage zu Tode, die Zähne von Kampf-Krokodil "Guapo" machen mit Gegnern kurzen Prozess und der knuffige Dachshund "Chorizo" kann seinen ganzen Charme einsetzen, um feindliche Soldaten abzulenken.

Stürzt man sich anfangs noch begeistert in die Schlacht, verliert sich im Laufe des Spiels die Spannung. Zu ungefährlich sind die bewaffneten Kämpfe, zu leicht lassen sich die Gegner besiegen. Darüber können auch nicht das breite Arsenal an Waffen und die Möglichkeit hinweg trösten, sich aus allerlei Materialien an Werkbänken seine eigenen Schusswaffen bauen zu können. Denn hat man erstmal die stärksten Waffen beisammen, bleibt man auch bei diesen.

Far Cry 6 ist ein guter Shooter, aber auch nicht mehr

Die meisten Fans von "Far Cry" werden ihren Spaß an dem sechsten Teil der Hauptreihe haben - zumindest für einige Stunden. Das Spiel liefert (fast) alles, was man von Far Cry gewohnt ist: eine exotische und fantastisch gestaltete Spielewelt gepaart mit einigen düsteren Story-Akzenten, eine große Auswahl an Waffen und natürlich ganz viele Kämpfe und Schießereien. Wegen dieser expliziten Brutalität, der Drogenthematik und des mitunter ziemlich derben Humors eignet sich das Videospiel übrigens nur für Erwachsene - "Far Cry" ist nicht ohne Grund erst ab 18 Jahren freigegeben.

Eine Neuerfindung der Reihe, wie ihn sich der ein oder andere erhofft haben dürfte, ist "Far Cry 6" letztendlich nicht geworden. Das immense Potenzial des Schauspielers Giancarlo Esposito in der Rolle des Bösewichts und den Schauplatz der an Kuba angelehnten Karibikinsel wurde nicht genutzt. Stattdessen hält Ubisoft größtenteils am altbekannten Gameplay fest und auch vermeintliche Neuerungen wie die Abschaffung der Jagdtradition sind eher nach hinten losgegangen. Weniger extrem starke Waffen und dafür mehr taktische Herausforderungen hätten dem Spiel und der Spannung außerdem gut getan. Eine Revolution ist es so leider nicht geworden.

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