Caravanboom – dennoch müssen sie um die Zukunft kämpfen
Der Bau von Wohnmobilen boomt, seit Corona erst recht. Auch der Caravanzulieferer Dometic macht fette Gewinne. Doch statt die Beschäftigten daran teilhaben zu lassen, wollte die Unternehmensleitung sogar ihre Arbeitsplätze verlagern. Doch sie haben sich ihre Zukunft erkämpft.
Sie fahren satte Gewinne ein. Trotzdem wollte ihre Unternehmensleitung die Produktion in Billiglohnländer verlagern. Doch die Beschäftigten des Caravanzulieferers Dometic im schwäbischen Krautheim haben zusammen mit der IG Metall einen Zukunftstarifvertrag erkämpft. In letzter Minute, einen Tag vor Beginn ihres Streiks, lenkte der Arbeitgeber ein: Dometic sagt den Erhalt des Standorts bis 2027 mit 360 festen Arbeitsplätzen zu und verpflichtet sich zu konkreten Investitionen.
Die Beschäftigten in Krautheim fertigen hochwertige Fenster, Türen und Rollosysteme, nah dran an den Kunden, den Caravanherstellern in der Region. Erst vor drei Jahren haben sie sich in der IG Metall organisiert und erstmals einen Tarifvertrag in ihrem Betrieb durchgesetzt.
Jetzt haben sie erneut über ein Jahr lang für ihre Zukunft gekämpft, öffentlich Druck gemacht, Politiker, Zulieferer und Kunden angeschrieben. Beschäftigte bei Kundenbetrieben, etwa bei Hymer und Dethleffs, erklärten sich solidarisch.
„Wir, unsere aktiven Mitglieder und die IG Metall Schwäbisch Hall, haben aus dieser gewachsenen Stärke heraus eine Zukunftssicherung erkämpft“, erklärt Arno Siebert von der IG Metall Schwäbisch-Hall. „Das zeigt: Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen, der gesamte Betriebsrat und die IG Metall in eine Richtung ziehen, ist alles möglich.“
99 Prozent der IG Metall-Mitglieder bei Dometic haben das Verhandlungsergebnis angenommen. Mehr Geld ist darin auch vereinbart. Schrittweise geht es bis 2024 hoch auf den vollen Entgelttarif für die Holz- und Kunststoffindustrie der IG Metall.
Doch am wichtigsten ist ihnen, dass ihre Arbeitsplätze bleiben, betont die Betriebsratsvorsitzende Petra Ambelang. „Wir haben viele ältere Beschäftigte, die nun bis zur Rente eine sichere Arbeit haben. Das haben wir nur durch die Unterstützung der IG Metall geschafft.“
Bauboom – zu wenig Geld für Fachkräfte
Die Auftragsbücher sind voll bei DFH Haus im Hunsrück. Fertighäuser boomen. Die Beschäftigten stemmen Zusatzschichten. Denn DFH findet nicht genügend Fachkräfte, weil die woanders mehr verdienen.
„Die Kunden sitzen uns im Nacken“, sagt Dietmar Mohr, Betriebsratsvorsitzender der Deutschen Fertighaus Holding (DFH) in Simmern im Hunsrück. In vielen Bereichen der Holz- und Kunststoffindustrie hat es seit Beginn der Coronapandemie geboomt. So auch bei den Fertighäusern. Wer nicht wegfährt, investiert wieder mehr ins Eigenheim – so lautet die Erkenntnis aus den vergangenen Monaten.
Doch die Mehrarbeit kann nicht durch zusätzliche Einstellungen aufgefangen werden. Seit Monaten stemmt die Belegschaft Zusatzschichten. Ein Grund dafür ist der Fachkräftemangel, der schon seit längerer Zeit auch in dieser Branche herrscht. „Wir haben versucht, trotz Corona so viele wie möglich einzustellen“, berichtet der Betriebsrat. „Wir suchen zum Beispiel händeringend Auszubildende im Produktionsbereich.“
Zimmerer, Schreiner, Verputzer, Maurer, Schlosser: Das sind alles Berufe, die dringend in dem Werk gebraucht werden. Um attraktiv für diese Facharbeitenden zu bleiben, fordert der Betriebsrat von DFH Haus daher: „Gleiche Arbeit, gleicher Lohn!“ Denn einige Beschäftigte aus der Produktion sind bereits gegangen, weil sie woanders mehr verdienen.
Neben der Forderung nach mehr Geld ist auch das Thema Altersteilzeit wichtig für die Beschäftigten von DFH Haus und wird immer wieder angefragt. „Die körperliche Belastung durch schwere Holzteile macht sich bei vielen in der Branche bemerkbar“, sagt Lydia Ott, Betriebsrätin bei DFH. „Hier brauchen wir noch mehr tarifliche Druckmittel.“
39 Stunden Kontischicht im Plattenwerk
Das Spanplattenwerk von Sonae Arauco in Nettgau (Sachsen-Anhalt) brummt. Seit der Coronakrise noch mehr, vor allem wegen des Baubooms. Schwere Arbeit, vor allem für Ältere.
„So etwas habe ich in 20 Jahren hier noch nicht erlebt“, meint der Betriebsratsvorsitzende Axel Krüger. „Der Holzmarkt hat dermaßen angezogen, auch die Preise. Mit den OSB-Platten kommen wir gar nicht mehr nach.“
Auch die Gewinne sind hoch, denn der Rohstoff Holz ist billig: Der benachbarte Harz liegt nach Stürmen, Dürren und Borkenkäferbefall voll mit Totholz.
Von den Gewinnen wollen die Beschäftigten etwas abhaben. Rund um die Uhr klotzen sie in Kontischicht ran, auch am Wochenende, 39 Stunden in der Woche. Das ist kaum bis zur Rente durchzuhalten. Gerade den älteren Beschäftigten ist daher wichtig, dass sie früher raus können, über eine bessere Altersteilzeit mit mehr Geld.
„Ich arbeite seit 20 Jahren hier in Kontischicht, sieben Tage am Stück und dann nur 48 Stunden frei zur Erholung. Schon mit 44 Jahren fällt mir das schwerer als früher“, erklärt Schichtleiter Jens Schulz. „Zudem sind 36 Wochenenden im Jahr belegt. Mit drei Kindern ist das schwierig.“
Was Schulz und die anderen Beschäftigten in Nettgau am meisten stört, sind die 39 Wochenstunden. Drei Kilometer weiter, jenseits der Grenze, in den alten Bundesländern, müssten sie nur 35 Stunden arbeiten. Das wollen sie endlich ändern. Allerdings sind derzeit noch zu wenige Holzbetriebe in Sachsen-Anhalt tarifgebunden.
Ihr Arbeitgeber bleibt stur. Dabei hat Sonae Arauco in Nettgau längst ein Problem mit den Fachkräften. Viele gehen rüber in den Westen. „Vor 15 Jahren kamen noch 100 Bewerbungen für sechs Ausbildungsplätze. Heute sind wir froh, wenn wir überhaupt sechs Bewerber haben“, meint Krüger. „Was sollen die hier 39 Stunden Kontischicht ballern, wenn sie im Westen für mehr Geld vier Stunden weniger arbeiten müssen?“
Genügend Arbeit wird es auch in Zukunft bei Sonae Arauco geben. Das Unternehmen investiert. Darauf haben Betriebsrat und IG Metall immer wieder gedrängt.
Demnächst wird eine neue Beschichtungsmaschine installiert. Aber wer soll dann dort arbeiten? „In die Beschäftigten der Zukunft investiert Sonae Arauco einfach zu wenig“, findet Krüger. „Das müssen wir in der Tarifrunde angehen.“
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