Wie von Geisterhand gezogen bewegt sich der Baumwollstoff unter der Maschine, die eine exakte Naht produziert. Dann wird gestickt: Die Nadel tanzt über den Stoff und hinterlässt schmale Bänder mit Seerosen, Wellenlinien oder einen sauber gestickten Vornamen. Spätestens im diesem Moment lächeln viele Kundinnen verzückt - und Tina Seel lehnt sich zufrieden zurück.
Mit ihrer Partnerin Sabine Opderbeck hat die Werbeexpertin im vergangenen Oktober den Laden "Smilla" eröffnet, in dem man Kurzwaren, Stoffe und Nähmaschinen kaufen kann. "Ich habe seit mehr als 20 Jahren beruflich mit Nähmaschinen zu tun und habe mich immer wieder darüber gewundert, dass sich die Hersteller so altbacken präsentieren", sagt Tina Seel. "Dabei ist Nähen doch eine kreative Angelegenheit, die unglaublich viel Spaß macht und sehr gut in die heutige Zeit passt."
Das Geschäft ist hell, freundlich und übersichtlich gestaltet. Im vorderen Bereich lagern Stoffballen mit gemusterten Baumwoll- und Jerseystoffen, hinten ist das Kurzwaren-Sortiment untergebracht. Dort findet man außer Nadel, Faden und Fingerhüten auch Taschengriffe, Gürtelschnallen und die farbigen Applikationen zum Aufbügeln, mit denen im Lauf der letzten Jahrzehnte vermutlich Millionen kaputter Kinderhosen gerettet wurden.
Nahtloser Übergang
An mehreren Tischen können Kundinnen und Kunden hochmoderne Näh-, Stick- und Overlock-Maschinen ausprobieren. "Die Overlock-Maschinen haben einen recht hohen Erklärungsbedarf", sagt Tina Seel und klappt eine der kompakten kleinen Maschinen auf und zeigt deren kompliziertes metallisches Innenleben. "Solche Maschinen braucht man, wenn man T-Shirts säumen will. Die bekommt man auch mit einer sehr guten Nähmaschine nicht so sauber hin", erklärt Tina Seel. Dann reicht sie ein Stück Jersey mit einer festen Doppelnaht, die sich wunderbar elastisch auseinanderziehen lässt.
Tina Seel machte nach dem Abitur ein Praktikum bei einer Werbeagentur. Ein Nähmaschinenhersteller war die erste Firma, die sie mit anderen Mitarbeitern betreute. Der Praktikanten-Vertrag ging nahtlos in ein Beschäftigungsverhältnis über und Tina Seel blieb den Nähmaschinen treu. Auch als sie vor vier Jahren nach Berlin zog, machte sie weiterhin Werbung für den Hersteller, hatte aber auch den Wunsch, ein eigenes Geschäft auf die Beine zu stellen. "Ich habe gespürt, dass das Thema Handarbeit und Kreativität gerade explodiert", sagt sie.
Bei einem Treffen für Gründerinnen lernte sie dann Sabine Obderbeck kennen, die nach dem Abitur eine Lehre als Maßschneiderin absolviert hatte, später Kommunikationswissenschaften studierte und jahrelang als Trainerin und Beraterin selbstständig war. "Da ich nie eine Ausbildung im Textilbereich gemacht habe, schien mir das eine optimale Kombination zu sein", erklärt Tina Seel. Insgesamt anderthalb Jahre brauchten die beiden Geschäftspartnerinnen um einen Businessplan zu erstellen und die Finanzierung durch Banken zu sichern.
"Das Nähcafé ist der Motor unseres Geschäfts", sagt Sabine Opderbeck. Ab sieben Euro pro Stunde lassen sich die Maschinen mieten. In dem Nähcafé, das sich in einem Nebenraum befindet, stehen ein halbes Dutzend Computer-Nähmaschinen, einige Overlock-Geräte und ein großer Zuschneidetisch bereit. Hier finden Kurse für Einsteiger und Fortgeschrittene statt. Es gibt "Lady's Näh-Nights" mit Prosecco-Begleitung, "Freie Nähstunden" und "Experimentelles Nähen". Die gelernte Erzieherin Sandra Doil leitet die Kindergeburtstage und Kindernähkurse, bei denen Jungen und Mädchen ab sechs Jahren kleine Taschen oder Bälle nähen. Sämtliche Nähmaschinen lassen sich auf langsam stellen, was den Einstieg für Kinder leichter macht.
Keine alten Schachteln
Der Laden sei in der Nachbarschaft von Anfang an gut angekommen, sagen die beiden Geschäftsfrauen. Die typischen Kurzwaren-Läden, in denen sich alte Schachteln und verstaubte Kartons mit ominösem Inhalt hoch bis zur Decke stapelten, gibt es schon lange nicht mehr in Berlin. Auch die Stoffabteilungen vieler Kaufhäuser wurden verkleinert oder geschlossen. "Die Kunden sind oft dankbar, dass sie jetzt nicht mehr bis zum nächstgelegenen Kaufhaus fahren müssen, um Garn oder ein Nadelkissen zu kaufen", berichtet Sabine Opderbeck.
Vor der Selbstverwirklichung im Hobby-Modedesign steht oft jedoch der Preis der Hightech-Maschinen. "Die günstigsten Geräte, die wir hier mit gutem Gewissen empfehlen können, kosten 250 Euro", sagt Sabine Opderbeck. Für ein Maschinchen, das mit starkem Motor und zahlreichen Kreativprogrammen so richtig viel Spaß macht, werden bereits mehr als 500 Euro fällig.
Zu Spontankäufen kommt es deshalb bei "Smilla" eher selten. "Der Wunsch nach einer guten Nähmaschine reift bei unseren Kunden über mehrere Wochen oder Monate", sagt Tina Seel. Eine Nähmaschine ist nun einmal eine Anschaffung fürs Leben. Das wussten schon unsere Großmütter.
Smilla Eisenacher Straße 64, Schöneberg, Tel. 325 913 33, Mo.-Fr. 10-19 Uhr, Sbd. 10-16 Uhr
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