Führen auf Distanz: Was Chefs jetzt lernen müssen - cio.de

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  • Von deutschewhiskybrenner
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Christine Albrecht ist Abteilungsleiterin im Bereich Personal bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), und sie hat eine exponentielle Lernkurve mitgemacht in den letzten Monaten was die Themen Digitalisierung und FührungFührung angeht. "Im Unternehmen hat die Digitalisierung ein Tempo aufgenommen, das früher undenkbar war", berichtet die Personalexpertin. In kürzester Zeit wurden Prozesse digitalisiert, von denen man sich das vor der Pandemie nicht hätte vorstellen können - zum Beispiel wegen langen Diskussionsrunden, Bedenken, Abstimmungsschleifen: "Jetzt musste es aber passieren", so Albrecht, und es habe funktioniert.Alles zu Führung auf CIO.de

Das zweite wichtige Vorhaben, mit dem sie als Personalerin erst recht stark konfrontiert war und ist das Thema Führung. Arbeitgeber müssen es schaffen, so ihre Erfahrung, aus einer Präsenz- eine Vertrauenskultur zu etablieren. Chefs, die früher durch Kontrolle geführt haben, werden mit diesem Führungsstil nicht weit kommen, wenn das mobile ortsunabhängige Arbeiten zum festen Bestandteil wird.

Von der Präsenz- zur Vertrauenskultur

Es war selbstverständlich vor Corona, dass Gespräche im Flur und in der Kaffeeküche stattfanden, der Chef wusste, was auf dem Schreibtisch seines Mitarbeiters lag, womit er sich beschäftigt, wie er drauf ist. Feedback- oder auch Beurteilungsgespräche liefen so fast nebenbei und gehörten zum normalen Alltag. Jetzt merken viele Chefs, wie wichtig diese Gespräche und Kontakte waren, und für einige bedeutet nun dieses Führen auf Distanz eine "große Umstellung", beobachtet Albrecht.

"Natürlich steht die Leistungserbringung auch bei der Frage nach Home-Office im Vordergrund", betont die BSR-Managerin, sie sagt aber auch, dass es die Aufgabe jeder Führungskraft sein müsse, die Selbstverantwortung der Beschäftigten zu stärken, ihnen zu ermöglichen, eigenständig Entscheidungen treffen zu dürfen.

Mehr Zeit in Führungsaufgaben investieren

Ihr sei klar geworden, dass nun ein "anderer Fokus auf Mitarbeiterführung gelegt" werden müsse. Chefs müssten künftig viel mehr Zeit in das Thema Führung investieren, sich also aktiv um ihre Mitarbeitenden kümmern, sie nicht aus den Augen verlieren, mit ihnen viel reden und klare Ziele vereinbaren.

Ihr Arbeitgeber habe auf diese Entwicklungen reagiert und Schulungen rund um das Thema Führung auf Distanz angeboten, damit Führungskräfte verstünden, was es bedeute, wenn man mit seinem Team überwiegend digital arbeite oder auf die Zwischentöne zu achten. Wichtig war, auch den Führungskräften das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein gelassen werden.

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Mehr Mitarbeiterumfragen

Bereits vor der Pandemie hatte die BSR für ihre Beschäftigten ein umfangreiches Gesundheitsmanagement aufgebaut, mit entsprechenden Angeboten zu Gesundheit, Ernährung, Yoga, Entspannungsprogrammen; in der Pandemie musste das nun vielfach digital umgesetzt werden. Mit den Corona-Lotsen in der Beschäftigten-App sowie einer Gesundheits-App, die allen Beschäftigten angeboten wurde, stand das nun jederzeit abrufbereit und gebündelt bereit. Als Stimmungsbarometer galten dabei regelmäßig stattfindende Befragungen der Beschäftigten als Ergänzung zu den regelmäßigen Mitarbeiterumfragen.

Dabei war es auch wichtig, zu dem großen Teil der gewerblichen Beschäftigten ohne Möglichkeit zum Home-Office im Kontakt zu bleiben, damit keine Missstimmung entstehe zwischen denen, die sich ins heimische Büro verabschieden durften, und denen, die Tag für Tag auf den Straßen der Hauptstadt für deren Sauberkeit sorgten.

Mehr Eigenverantwortung zulassen

Künftig dürfte für Führungskräfte die Fähigkeit nötig sein, die Mitarbeiter höchst flexibel vor Ort, digital oder hybrid zu führen und ihnen mehr Eigenverantwortung zuzugestehen, ist Albrecht überzeugt. Dies gelte es, auch bei Neueinstellungen zu berücksichtigen, heißt, einerseits eine neue Generation von Führungskräften zu entwickeln, die mit hybriden Arbeitsformen souverän umgehen kann, und andererseits Mitarbeitende zu gewinnen, denen eigenverantwortliches Arbeiten wichtig ist.

Leichter gesagt als getan, denn "die Fähigkeit auf Distanz zu führen fällt nicht vom Himmel", gibt Lutz Bellmann zu bedenken. Er ist zum einen Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg, zum anderen arbeitet er seit 33 Jahren am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit und leitet dort den Bereich Betriebe und Beschäftigte und hat sich in letzter Zeit intensiv auch dem Thema Corona und den daraus folgenden Konsequenzen für den Arbeitsmarkt beschäftigt.

Er kennt auch Beispiele, in denen Führungskräfte nicht bereit waren, diesen neuen Weg zu gehen, oder in denen sich Führungskräfte nach wie vor schwertun, zum Beispiel mit dieser neuen Form des Delegierens nur online zu arbeiten. Positiv vermerkt der Wissenschaftler dagegen, dass durch die verstärkte Online-Kommunikation die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit häufig viel leichter funktioniert. Ein weiterer positiver Effekt sei, dass in virtuellen Sitzungen oft weniger der Status zählt, sondern was die Teilnehmer konkret beitragen.

"In der Betriebskantine haben sich ohnehin meistens nur die Kollegen aus der eigenen Abteilung getroffen", weiß Bellmann. BSR-Managerin Albrecht kann dem nur zustimmen: "Nie hatten wir so viel fachübergreifende Kommunikation wie jetzt, nie war es leichter, sich kurzfristig zu treffen", eben weil solche digitalen Sitzungen schnell zu organisieren und die Kolleginnen und Kollegen leichter verfügbar sind, man sich in großer Regelmäßigkeit treffen und mit Projekten gut vorwärtskommen konnte.

Bellmann beobachtet, dass dank Corona in den Unternehmen neue Teamstrukturen entstehen, dass Vorgesetzte, die sich mit dem Technologieeinsatz und dem virtuellen Führen schwertun, zurückhaltender agieren und dass nicht selten Mitarbeiter aus der zweiten Reihe nun die Initiative übernehmen. Die Stärke von Teams sei es, solche Konstellationen gut zu managen, ohne dass es etwa zu einer "Palastrevolution" komme.

Personalarbeit ist wichtiger geworden

Was den Wissenschaftler freut ist, dass in diesen Pandemiezeiten die Personalarbeit im Allgemeinen an Bedeutung gewonnen hat. Er merkt aber auch an, dass die HR-Abteilungen mit den Führungskräften aus den Fachbereichen zu klären haben, wer für welche Aufgaben zuständig ist, wenn es um die mitarbeiterorientierten Themen geht. Es gibt bereits Experten, die analog zur Schatten-IT in den Fachbereichen von einer Schatten-HR außerhalb der Personalabteilung sprechen.

Für den Professor gibt es zwei Themen, die Arbeitgeber im Auge behalten sollten: den Mitarbeitern möglichst viel Vertrauen schenken und klare Regelungen treffen. Der zweite Aspekt sei auch deshalb so wichtig, das zeigten die Umfragen seines Instituts, weil das Thema Home-Office nicht verschwinden werde. Der Großteil der Firmen berichtet, man arbeite weiter auf einem hohen Home-Office-Niveau. "Zwanzig Prozent der Arbeitgeber sagen, sie wollen nach der Pandemie mehr Home-Office haben als vor den Pandemiezeiten", weiß Bellmann.

Home-Office-Diskusionen laufen auf Hochtouren

Wobei, auch das zeigten die Umfragen, dass es sehr wohl Branchenunterschiede gebe. In der IT zum Beispiel "beobachte ich, dass die Chefs sagen, Hauptsache ihr kommt zu den Meetings", in anderen Branchen versuche man mit dem Argument, dass der Abstimmungsbedarf hoch sei, den Mitarbeiter nur einen bis zwei Tage Home-Office zuzugestehen. Komplett Home-Office beziehungsweise mobiles Arbeiten oder komplett Präsenz am Arbeitsplatz sei die Ausnahme.

Damit sich die Auseinandersetzungen und Missverständnisse zwischen Arbeitgeber- und Mitarbeitern in Grenzen hielten, plädiert Bellmann für klare Abmachungen. So sollten zum Beispiel Erreichbarkeiten geregelt werden, Leistungsziele transparent sein und klar formuliert werden, wie eine Leistungskontrolle stattfindet und wie die Arbeitszeiten zu erfassen sind.