Von Michael Bothner in Nachrichten
Vergangenen Dienstag wollte die Umweltbewegung Fridays for Future mit einer Fahrraddemo auf der A3 unter anderem auf die „stockende Mobilitätswende“ aufmerksam machen. Die Stadt untersagte dies kurz vorher. Tatsächlich ist die Sache juristisch schwierig.
Es ist gegen 7.30 Uhr, Dienstagmorgen. In und um Regensburg herrscht reger Verkehr. Schüler sind auf dem Weg zur Schule. Arbeitnehmerinnen fahren in ihren Autos zur Arbeit. Manche Studenten drehen sich noch einmal im warmen Bett um, bevor wenig später auch für sie die Vorlesung beginnt. An der Kreuzung Albertus-Magnus-Str./Galgenbergstr. sammeln sich gerade zwei Dutzend Personen. Sie werden sich gleich gemeinsam auf den Weg zum Autobahnzubringer A3/Universität begeben, von dort auf die extra gesperrte A3 radeln und „für eine echte Mobilitätswende statt einer grün gewaschenen Antriebswende“ protestieren…
So in etwa hätte dieser Bericht wohl begonnen, hätte die angekündigte Demonstration von Fridays for Future Regensburg wie geplant am Dienstag stattgefunden. Die Stadt schob dem Ansinnen allerdings kurz zuvor einen Riegel vor.
Worum ging es Fridays for Future?
Doch worum ging es den Umweltaktivisten überhaupt? Bereits am 20. Januar hatten sie eine Versammlung auf und neben der Autobahnbrücke auf Höhe der Ausfahrt Universität angemeldet. Während der Aktion sollten kletternde Personen ein Banner von außen an der Brücke anbringen. Es sollte eine Solidaritätsbekundung sein für mehrere Aktivisten, die seit dieser Woche wegen einer ähnlichen Aktion in Frankfurt vor Gericht stehen.
Im Oktober 2020 hatten sie sich von Autobahnbrücken in Hessen abgeseilt und so gegen die Rodung des Dannenröder Forsts protestiert. Die Rodungen stehen in direktem Zusammenhang mit dem dortigen Ausbau der A49, den Umweltschützer als Ausdruck einer veralteten Verkehrspolitik bezeichnen. Während der Aktion, bei der mehrere Banner angebracht wurden, kam es zu Rückstau und Auffahrunfällen. Die Aktivisten müssen sich deshalb wegen Nötigung verantworten.
„Abseilaktionen über Autobahnen sind durch das Versammlungsrecht geschützt und dürfen nicht unverhältnismäßig kriminalisiert werden“, so die Position der Regensburger Klimaaktivisten. In einer Pressemeldung erklären sie, die Aktion sollte zum Prozessauftakt in Frankfurt zeigen, „dass eine solche Versammlung auch völlig legal möglich ist und entsprechend eine ähnliche Aktion ohne vorherige Ankündigung nichts mehr ist als eine unangemeldete Versammlung“.
Das sagt die Stadt dazu
Die Regensburger Stadtverwaltung sah das anders und untersagte die Aktion. FFF reagierte vergangenen Samstag dann mit einer Eilanmeldung – für eine Fahrraddemo, die am Dienstagmorgen auf der A3 stattfinden sollte. Auch das untersagte die Stadt.
Gegenüber unserer Redaktion verweist die städtische Pressestelle auf das Fernstraßengesetz (FStrG). Darin werde eine eingeschränkte Zweckbestimmung von Autobahnen „nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen“ (§1 Abs. 3) und „zur Aufnahme des weiträumigen Verkehrs“ (§1 Abs 1) festgelegt. Für die Stadt steht fest: „Grundsätzlich sind Versammlungen auf Bundesautobahnen (aus mehreren Gründen und vor allem in Hinblick auf die Verkehrssicherheit) durch die Versammlungsbehörde zu untersagen.“
Hinzu käme ein enormer Aufwand für Behörden und Polizei. „Die Aktion würde eine beidseitige Vollsperrung der Autobahn und Umleitung des Verkehrs für zwei bis drei Stunden erfordern.“ Und da die Aktion während des morgendlichen Berufsverkehrs hätte stattfinden sollen, wäre die Verkehrsbelastung „besonders hoch“ gewesen. Ein Umleitungskonzept wäre so kurzfristig nicht möglich gewesen.
Eine leere Autobahn hätte darüber hinaus dem Ansinnen der Demonstration nach Öffentlichkeit widersprochen. „Eine rein mediale Aufmerksamkeit ist vom Versammlungsrecht grundsätzlich nicht gedeckt“, so die Bewertung der Stadt.
Juristen: Autobahndemos nur in Ausnahmefällen zulässig
Auf eine komplette Sperrung hatte es die Umweltbewegung selbst allerdings gar nicht abgesehen. Mit etwa 20 Personen wollte man auf Rädern über die Auffahrt Universität Richtung Kreuz Regensburg fahren, dort umkehren und auf der gleichen Fahrbahnseite, entgegen der Fahrtrichtung zurück, um über die Auffahrt Universität die Autobahn wieder zu verlassen. 15 Minuten hätte man die Straße dadurch blockiert, behauptet Fridays for Future und sieht sich in ihrem Versammlungsrecht beschnitten.
Blickt man über Regensburg hinaus, gibt es bereits mehrere vergleichbare Fälle. Wie die Regensburger Fachanwälte für Versammlungsrecht der Kanzlei Graml und Kollegen unserer Redaktion erklären, beschäftigt das Thema Demonstrationen auf Autobahnen die Rechtsprechung schon seit vielen Jahren. Grundsätzlich könne festgehalten werden, dass „hohe Hürden für Versammlungen auf Autobahnen gegeben“ seien. „Sie sind jedoch im Einzelfall nicht völlig ausgeschlossen“, widerspricht man der städtischen Argumentation.
Wie die städtische Pressestelle verweisen aber auf die Juristen auf die entsprechenden Paragrafen des Fernstraßengesetzes. Bundesfernstraßen seien schon in ihrer Ausgestaltung so angelegt, dass sie „frei von höhengleichen Kreuzungen und für Zu- und Abfahrt mit besonderen Anschlussstellen ausgestattet sind“ und nur für den Schnellverkehr mit Kraftfahrzeugen ausgelegt. Die Nutzung zu Versammlungszwecken käme deshalb „nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht“.
Es kommt ganz auf das Anliegen an
Die Anwälte verweisen dabei auch auf einen bedeutsamen Unterschied zu innerörtlichen Straßen.„Anders als bei innerörtlichen Straßen und Plätzen, bei denen die Widmung die Nutzung zur Kommunikation und Informationsverbreitung umfasse, dürfe Verkehrsinteressen bei Autobahnen eine größere Bedeutung beigemessen werden, so dass das Interesse des Veranstalters und der Versammlungsteilnehmer an der ungehinderten Nutzung einer Autobahn gegebenenfalls zurückzutreten habe.“
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung brauche es zudem einen konkreten örtlichen Bezug der jeweiligen Aktion zum entsprechenden Autobahnabschnitt. „Je größer die verkehrliche Beeinträchtigung durch die Demonstration ist, desto höher dürften die Anforderungen an den konkreten örtlichen Bezug sein.“ Am Ende müsse aber stets die Sicherheit des Verkehrs garantiert werden.
Europäischer Gerichtshof: Es braucht einen gewichtigen Grund
Die Juristen beziehen sich dabei unter anderem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der musste sich 2003 mit der Frage beschäftigen, inwieweit Aktionen auf Autobahnen dem Versammlungsrecht entsprechen. Ein Innsbrucker Transportunternehmen hatte gegen den österreichischen Staat geklagt, nachdem die zuständigen Behörden 1998 eine Versammlung auf der Brenner-Autobahn genehmigt hatten. Damals kam es zu einer 30-stündigen Verkehrsblockade.
Der EuGH stellte klar, dass Grundfreiheiten zum Schutz von Grundrechtspositionen eingeschränkt werden können. Bezogen auf Autobahnblockaden stellten die Richter fest, dass es dafür einen gewichtigen Grund brauche, der für die Erlaubnis einer solchen Versammlung spricht. Dies wäre demnach gegeben, wenn der mit der Veranstaltung verbundene Kommunikationszweck in unmittelbarem Zusammenhang mit der Örtlichkeit steht. Ein Beispiel wäre der Protest gegen Umweltverschmutzungen durch Kraftfahrzeuge vor Ort. Im konkret verhandelten Fall von 1998 ging der EuGH davon aus, Österreich habe das Gleichgewicht zwischen dem Recht auf Versammlungsfreiheit und dem Grundsatz des freien Warenverkehrs gewahrt.
Ein paar Urteile aus Deutschland
In Deutschland kommen die Gerichte immer wieder zu unterschiedlichen Bewertungen. Vergangenen Juni sollte es im Rahmen einer bundesweiten Aktion zu mehreren Fahrraddemos auf Autobahnen kommen. Das gemeinsame Anliegen, nämlich die Forderung nach einer raschen und nachhaltigen Verkehrswende, sollte regional aufgegriffen und umgesetzt werden.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig untersagte eine solche Demo mit dem Motto „Für das Klima und die Verkehrswende keine neuen Autobahnen, keine A 39″. Autobahnen dürften grundsätzlich nur durch Kraftfahrzeuge genutzt werden, argumentierten die Richter letztes Jahr entsprechend der Linie der Stadt Regensburg.
Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen in Lüneburg bestätigte damals mit zwei Eilbeschlüssen das Verbot zweier Fahrraddemonstrationen auf Bundesautobahnen. Gegen den Ausbau von Autobahnen und für eine Verkehrswende wollte man damals unter anderem auf der A33 demonstrieren. Das OVG machte in seinem Urteil aber auch deutlich, dass man die Einschätzung, wonach Bundesautobahnen aufgrund ihres Widmungszwecks „von vornherein demonstrationsfrei” seien, nicht teile.
Vielmehr sahen auch sie eine Bewertung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls als notwendig an. Etwaige „kollidierende Rechtsgüter“ seien in Ausgleich zu bringen. Das Gericht untersagte die Versammlungen auf den Autobahnen, da man die von den Behörden angebotenen Alternativrouten als adäquaten Ersatz ansah, um dem Anliegen des Protestes zu entsprechen.
Der hessische Verwaltungsgerichtshof hatte im Juni 2021 eine Demonstration mit rund 350 Radfahrern und Radfahrerinnen im Rahmen des Aktionswochenendes hingegen zugelassen. Die Demo führte etwa 40 Minuten auf neun Kilometern Länge über die Autobahnen A7 und A66 bei Fulda. Die Autobahnen wurden für eine Stunde gesperrt. Laut der hessischen Polizei war es zu keinen Zwischenfällen gekommen. Allerdings fand die Versammlung an einem Sonntag statt.
FFF klagt über unkooperatives Ordnungsamt…
Die Regensburger Aktivisten hätten sich laut eigener Aussage mit einer adäquaten Routenänderung zufrieden gegeben, hätte die Stadt ein Angebot gemacht. Dass man bei der schriftlichen Anmeldung der Demonstration keine Telefonnummer angegeben hat – laut Stadt habe man deshalb gar keinen Kontakt für eine etwaige Routenänderung aufnehmen können – erklärt der Anmelder Simon Lachner mit den bislang stets „schlechten” und „einseitig kooperativen“ Gesprächen zwischen Fridays for Future und dem Ordnungsamt.
Bereits im September letztes Jahr, kurz vor der Bundestagswahl, hatte die Bewegung zusammen mit weiteren Regensburger Gruppierungen eine Fahrraddemo zum Lappersdorfer Kreisel organisiert. Die Stadt wollte das auch damals untersagen und machte die dafür notwendige vorübergehende Sperrung der dortigen Autobahnabfahrt geltend. Der VCD klagte erfolgreich dagegen.
…und plant weitere Autobahndemo
Auch zuletzt kam es zwischen der Bewegung und der Stadt mehrfach zu Streitigkeiten in Bezug auf untersagte Versammlungen. Diesmal sei die Zeit für eine umgehende Klage – 15 Stunden vor dem geplanten Protest – zu kurz gewesen, sagt Lachner. Man stehe aber mit Anwälten in Kontakt und prüfe rechtliche Schritte gegen das Vorgehen der Stadt. Mit welchem Erfolg, das wird sich in den kommenden Wochen zeigen.
FFF ist sich aber sicher: Die am Dienstag verursachte Störung des Berufsverkehrs wäre weitaus weniger dramatisch ausgefallen „als einer der unzähligen Unfälle, die auf Grund des fehlenden Tempolimits tagtäglich passieren und Menschenleben kosten“. Investitionen sollten auch deshalb nicht länger in den Ausbau von Autobahnen, sondern in „sichere Verkehrsmittel wie Busse und Züge“ getätigt werden“.
Die Pläne für eine Autobahndemo sind unterdessen nicht verworfen. Man werde das weiter forcieren, heißt es.
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