„Alles begann mit Livvy, die ich vor einem Jahr auf Instagram entdeckte. Sie war das erste und ursprüngliche Motiv dieser Fotos.“ Die italienische Fotografin Guen Fiore erzählt von ihrem neuesten Projekt, GIRLS – einem ehrlichen Blick auf Gen-Z-Weiblichkeit und deren unzähliger Formen. Die Fotoreihe aus Porträts junger Frauen aus verschiedenen Ländern ist eine Zusammenarbeit mit der Stylistin Rubina Vita Marchiori und beleuchtet, wie junge Erwachsene im Hier und Jetzt unsere Welt erleben. Refinery29 hat außerdem mit den jungen Menschen auf den Bildern gesprochen.
Die ersten Bilder, die Fiore von der 20-jährigen Livvy machte, sind wunderschön. Ihre pfirsichfarbenen Haare und ihr Strahlen, während sie in ihrem Zimmer in hübschen Outfits posiert, machen sie zum faszinierenden Motiv. „Mich reizte natürlich vor allem ihre Ausstrahlung, aber auch die Art, wie sie sich ausdrückt – mit einer mysteriösen Mischung aus Sinnlichkeit und Unschuld. Ich hatte die Gelegenheit, sie einige Male in verschiedenen Umgebungen zu fotografieren, und entwarf nach und nach das Projekt um sie herum“, erzählt Fiore. Sie meldete sich bei Marchiori, und die drei erarbeiten ein gemeinsames Shooting. „Danach waren wir durch die Session mit Livvy so enthusiastisch, dass wir beschlossen, mit anderen Frauen weiterzumachen“, sagt Fiore.
Das Duo fand seine Models auf verschiedenen Wegen – durch Bekannte, über Modelagenturen und via Instagram. Ihr Ablauf war unkompliziert und fußte auf ihrem geteilten Wunsch nach einer persönlichen, authentischen und intimen Herangehensweise. Deswegen beschlossen sie, alle Models wenn möglich in ihren eigenen Schlafzimmern zu fotografieren; beim Styling kombinierte Marchiori eine Kombination aus den Lieblings-Pieces der Frauen und von ihr ausgewählten Stücken. „Als ich Rubina das Projekt vorschlug, war mir sehr wichtig, dass wir es realistisch hielten und den Frauen treu blieben, die unsere Models heute tatsächlich sind. Ich wollte so wenig wie möglich manipulieren, Rubina aber auch genug Freiraum für Experimentierfreude und Kreativität lassen“, erzählt Fiore. „Vor allem wollten wir aber Spaß daran haben und den Frauen vertrauen, uns von ihnen in ihre Welt einladen lassen und diese mit unseren eigenen Erinnerungen verknüpfen.“
Fiore wurde 1988 geboren und gehört somit zu den Millennials, der Generation vor Gen Z. Ihr eigenes Teenagerleben begann im italienischen Pescara, bevor sie für ihr Maschinenbaustudium nach Rom zog, wo sie ihre Liebe für die Fotografie entdeckte. Schon nach kurzer Zeit träumte sie davon, das Fotografieren zum Beruf zu machen, und 2018 zog sie dann nach London, um dort als professionelle Fotografin zu arbeiten. 2019 lernte sie Marchiori kennen, mit der sie sich nach der Zusammenarbeit an mehreren Editorial-Projekten anfreundete. „Deswegen wusste ich, als ich mir diese Story ausmalte, dass Rubina die einzige Person war, mit der ich an einem solchen Langzeitprojekt zusammenarbeiten wollte“, sagt Fiore. Sie bewundert dabei nicht bloß Marchioris Vision: „Wir sind ähnlich alt, also teilen wir viele Erfahrungen – was für diese Story sehr wichtig war.“
Fiore und Marchiori erlebten ihre Teenagerjahre in den 2000ern. Schnell fanden sie heraus, dass sie daher beide den Gen-Z-Style bewunderten und sich darüber freuten, dass viele Trends ihrer eigenen Jugend gerade ein Comeback feiern. „Wir erleben gerade eine sehr nostalgische 00er-Phase“, meint Fiore lächelnd. Abgesehen von der Gen-Z-Ästhetik interessierten sich die beiden für den doch sehr anderen Kontext der aktuellen Jugend, verglichen mit ihrer eigenen. Fiore erzählt, dass ihr eigenes Erwachsenwerden deutlich heimlicher ablief als das der Mädchen, die sie heute trifft. „Ich weiß noch, dass ich in einer Gesellschaft aufwuchs, in der es keinen Freiraum für andere Definitionen von Schönheit gab. Du musstest groß, dünn, blond, weiß und gebräunt sein, um als wunderschön zu gelten, und das fühlte sich wie etwas sehr Erstrebenswertes an“, sagt sie. „Mir war nie klar, wie sehr mich das beeinflusste – bis vor Kurzem, als ich anfing, mit so inspirierenden Frauen und Mädchen zusammenzuarbeiten und mir Gedanken über Schönheit ohne jegliche externe Filter oder Konditionierung zu machen. Ich denke, dass junge Frauen heute viel mehr Facetten zur Auswahl haben, und obwohl da immer noch viel Luft nach oben ist – und derselbe Druck –, geht es heute um so viel mehr als nur Schönheit.“
Es ist nicht leicht, den Beginn eines bestimmten Zeitgeists zu bestimmen. Wenn wir uns aber die Werte anschauen, die den Großteil der Gen Z zu verbinden scheinen – progressive Politik, intersektionaler Feminismus, Klima-Aktivismus, Identität als Spektrum –, muss der Gen-Z-Zeitgeist damit zu tun haben, wie (und vor allem wo) junge Menschen aktuell aufwachsen. Für Millennials war das Internet in der Jugend noch größtenteils neu; für Gen Z ist das Online-Leben genauso real wie die Offline-Welt. Das Internet hat die Jugend demokratisiert und globalisiert. Genau deswegen machen Social Media einen Großteil der Gen-Z-Identität aus. „Einerseits haben es Plattformen wie Instagram vereinfacht, sich nach außen hin selbst zu präsentieren“, meint Marchiori, „andererseits machen sie uns aber auch viel anfälliger für Beleidigungen und Verurteilungen durch andere, die sich hinter einem Bildschirm verstecken und mit Kommentaren um sich werfen können.“ Draußen in der realen Welt leiden Frauen außerdem immer noch unter alten, sexistischen Vorurteilen – mit denen auch die Gen Z zu kämpfen hat.
Was Fiore und Marchiori an der Gen Z am meisten bewundern, sind ihr unermüdlicher, leidenschaftlicher Wunsch nach Selbstausdruck und ihr Anspruch, eigenen Raum einzunehmen. „Unabhängig von äußerlichen Ähnlichkeiten lässt sich nicht leugnen, dass diese Generation an Mädchen und Frauen ein Selbstbewusstsein, eine Emanzipation und einen Freiheitswunsch nach Selbstausdruck ausstrahlt, die unsere Generation einfach nicht hatte. Das ist so toll“, meint Fiore. „Die jungen Menschen, die wir kennengelernt haben, sind sich der Gesellschaft so viel stärker bewusst als ich damals, und dieses Element wollten wir unbedingt in den Fokus rücken.“ Marchiori stimmt zu und ergänzt, dass jedes der Mädchen sie neu inspiriert hat. „Was diese Generation von anderen unterscheidet, ist, dass diese Mädchen stolz und selbstbewusst ihre Einzigartigkeit ausleben und keine Angst davor haben, die authentischste Version ihrer selbst zu sein“, sagt sie.
2020 berichtete die New York Post, die Gen Z sei inzwischen die größte Generation und mache 32 Prozent der Weltbevölkerung aus. Das sind rund 2,47 Milliarden der 7,7 Milliarden auf der Erde. Demnach sollten wir dieser enormen Bevölkerungsgruppe zuhören und von ihr lernen – insbesondere, weil die nächsten Jahrzehnte in ihren Händen liegen. Zumindest wissen wir: Diese Zukunft ist ihnen heilig.
Fotografie: Guen FioreStyling: Rubina Vita MarchioriMake-up: Machiko Yano und Raffaele RomagnoliModels: Livvy, Albertine, Eliza, Molly, Anugraha, Florence, Vera, Jewel (alle von Anti-Agency), Catherine, Karwea und Adhieu (von Neo Management).
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