Queen Elizabeth II. : Die Pflichtbewusste sitzt seit 70 Jahren auf dem Thron

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Queen Elizabeth II. : Die Pflichtbewusste sitzt seit 70 Jahren auf dem Thron
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  • Von deutschewhiskybrenner
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Unser Leben, heißt es in Psalm 90, „währet siebzig Jahre“. Unser Leben, wohlgemerkt, nicht unser Berufsleben. Inzwischen liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen in westlichen Industrieländern deutlich höher als zur alttestamentarischen Zeit vor rund zweieinhalbtausend Jahren. Wie viele aber können von sich sagen, sie hätten seit siebzig Jahren den gleichen Beruf ausgeübt? Von diesem Sonntag an gehört eine kurzgewachsene Dame in der englischen Kleinstadt Windsor, Seniorchefin eines gutgehenden Familienunternehmens gleichen Namens, zu dieser exklusiven Gruppe.

Am 6. Februar 1952 bestieg Elizabeth Alexandra Mary Windsor als Elizabeth II. den Thron des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, zu dem damals noch ein Empire gehörte. Durch die Entkolonialisierung, das Ende des Kalten Krieges und den Aufstieg Asiens, nicht zuletzt der Supermacht Chinas, ist der globale Einfluss des Landes zurückgegangen.

Noch immer aber verfügt die Insel über erhebliche „soft power“, und die meistfotografierte Frau der Welt hat daran ihren Anteil.

Auch die Dänen haben eine Königin, die Niederländer hatten bis 2013 sogar drei in Folge. Beim Stichwort Queen aber wissen weltweit alle sofort, wer gemeint ist: das Staatsoberhaupt von 15 souveränen Staaten und Vorsitzende des Commonwealth, eines Zusammenschlusses von 54 meist britischen Ex-Kolonien, die gemeinsam rund ein Viertel der Staaten und ein Viertel aller Menschen auf der Erde repräsentieren.

14 Premierminister regierten in ihrer Regentschaft

Boris Johnson ist der 14. Premierminister ihrer Amtszeit, Joe Biden die Nummer 14 der US-Präsidenten, Olaf Scholz der neunte deutsche Bundeskanzler – für die meisten heute Lebenden war die Queen immer schon da. Bereits zu ihrem 40. Thronjubiläum 1992 drückte dies der damalige Hofdichter Ted Hughes auf unsentimentale Weise aus, indem er die Wahrnehmung auf die Monarchin beschrieb: „Alle sehen die Krone/Manche die Mutter/Einer die Frau/Manche ihr Leben“ (All see the Crown/Some the mother/One his wife/Some their life).

Täglich wird die Zahl jener geringer, die sich noch erinnern an Elizabeths Vater George VI. Nach fünfzehnjähriger Regentschaft seit 1936 zeichnete sich der Tod des 56-Jährigen durch sein Lungenkrebs-Leiden zwar ab; an jenem 6. Februar 1952 aber auf Schloss Sandringham in Norfolk kam er doch überraschend. Die Kronprinzessin und ihr Mann Philip weilten zu einer royalen Visite in Kenia; die Todesnacht hatten sie in der Abgeschiedenheit des Aberdare-Nationalparks verbracht und im Morgengrauen Tiere beobachtet. Weit später als Millionen ihrer Untertanen erfuhr die 25-Jährige Mutter zweier kleiner Kinder die traurige Nachricht, die ihr Leben veränderte.

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Seither hat sie zwei weitere Söhne bekommen, wurde achtfache Großmutter und zwölf Mal Urgroßmutter. Sie hat „ein so außerordentlich privilegiertes und so außerordentlich eingeschränktes Leben“ gelebt, wie es ihr bester Biograf Ben Pimlott einst beschrieb. In den vergangenen Jahren hat sie das Schicksal vieler Hochbetagter erlebt, denen nach und nach die gleichaltrigen Freunde wegsterben. Im vergangenen Jahr musste sie nach 73 Ehejahren ihren Mann Philip, 99, begraben.

Ihre legendär robuste Gesundheit erhielt zuletzt einige Dämpfer; im Herbst erzwangen ihre Ärzte die Absage einer Reihe von Terminen. „Da hatte sie so gearbeitet, als sei sie noch 75“, analysiert Penny Junor, Autorin zahlreicher Bücher übers Königshaus. „Aber ihr Körper sagte: 95.“ Dass die Königin eine Nacht in der Klinik verbringen musste, was der Palast zu verschweigen versuchte, hat die Briten an die Sterblichkeit der scheinbar permanenten Königin erinnert. Echte Alarmzeichen aber gibt es nicht.

Geräuschlos, beständig, pflichtbewusst

„Beständigkeit und Langlebigkeit“ in einem Zeitalter permanenten Wandels, nennt die Historikerin Suzannah Lipscomb auf die Frage nach Elizabeths Errungenschaften. Bewundernswert findet die royale Beobachterin auch das eiserne Schweigen der Queen, allen Parodien, Karikaturen, Imitationen, zuletzt in der vielgerühmten TV-Serie „The Crown“, zum Trotz. Gewiss gehört auch die Qualität dazu, mehr oder weniger geräuschlos den Wandel der umgebenden Gesellschaft nachzuvollziehen.Im Jahr ihrer Thronbesteigung waren Geschiedene bei Hofe unerwünscht; inzwischen sind drei ihrer vier Kinder selbst geschieden, und der geschiedene Thronfolger Charles hat die ihrerseits geschiedene Camilla geheiratet.

Der Bevölkerung hat sie sich in den vergangenen sieben Jahrzehnten so oft wie möglich gezeigt, am besten in auffallenden Kleidern und unter durchsichtigen Schirmen. „Man muss mich sehen, um an mich zu glauben“, hat Elizabeth selbst einmal gesagt. Dieser Glaube immerhin ist dem durch und durch säkularen Land nicht abhandengekommen: Die Zustimmungswerte zur Queen bleiben sensationell, wenn auch das Volk sie inzwischen seltener zu Gesicht bekommt.

Statt den „smallest of small talk“ zu pflegen, wie Philip-Biograph Gyles Brandreth den denkbar banalsten Smalltalk der meisten royalen Begegnungen mit ihren Untertanen genannt hat, wäre die eher schüchterne Frau Windsor gewiss lieber eine ganz normale Landadelige geworden, von Pferden und Hunden umgeben. Der Dienst als Monarchin ließ diese Option nicht zu, auch von einem wohlverdienten Ruhestand ist nicht die Rede; zu tief steckt noch in der 95-Jährigen das Trauma der Abdankung Edwards VIII., die 1936 ganz gegen dessen Willen Edwards jüngeren Bruder Albert als George VI. auf den Thron brachte.

„Viel besser als reden, finden Sie nicht?“

David Nott hat der Sonntagszeitung „Observer“ 2019 eine Szene berichtet, die viel aussagt über die Queen als Hunde-Liebhaberin und Menschenkennerin. Bei einem Lunch im Buckingham-Palast saß der Arzt und Buchautor neben der Königin, die sich ihm mit ihrer Standardfrage zuwandte: Wo er denn gerade herkomme? „Aus Aleppo“, antwortete der kurz zuvor aus dem syrischen Bürgerkrieg zurückgekehrte Arzt. „Und wie war das?“ lautete die neutrale Anschlussfrage.

Da verstummte Nott, sichtlich mit den Tränen kämpfend, sein Kopf gefüllt mit Bildern von blutverschmierten Kindern und zerstörten Häusern. Die Queen legte schweigend ihre Hand auf seine, entnahm einer Silberbüchse, die vor ihr auf dem Tisch stand, einen Hundekeks, brach diesen entzwei, gab ihrem Gast ein Stück und fragte: „Wollen wir die Hunde füttern?“ Notts Anspannung löste sich, während die beiden mit den begeistert herbeigeeilten Corgis beschäftigt waren. Befriedigt sagte die Königin: „Viel besser als reden, finden Sie nicht?“

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Mit diesem Grundsatz geht die Queen in das 71. Jahr ihrer Amtszeit, Anfang Juni will das Land drei Tage feiern. An diesem Sonntag mischt sich in die Dankbarkeit für „Elizabeth, die Pflichtbewusste“, wie der Historiker Andrew Roberts seine Monarchin nennt, das Gedenken an den Vater, der ihr Vorbild war. Die Briten begehen den Tag vielerorts dennoch mit Dankgottesdiensten, in denen die letzten Worte der Nationalhymne womöglich noch inbrünstiger klingen als sonst: „Gott schütze die Königin, möge sie uns lang regieren.“